Lohnsteuerliche Behandlung entsandter Mitarbeiter – Tax Compliance & steuerstrafrechtliche Risiken
Unsere täglichen Erfahrungen zeigen, dass gerade im Zusammenhang mit der Entsendung von Mitarbeitern Gehaltsabrechnungen kompliziert und daher grundsätzlich fehleranfällig sind. Hinzu kommt, dass innerhalb des Konzernverbundes den entsprechenden Abrechnungsstellen die jeweiligen Informationen zu den monatlichen Vergütungen nicht immer vollständig und zeitgerecht zur Verfügung gestellt werden. Werden in den deutschen Lohn- und Gehaltsabrechnungen nicht sämtliche in Deutschland steuerpflichtigen Vergütungen zeitnah berücksichtigt und kommt es zu einem späteren Zeitpunkt zu nicht unerheblichen lohnsteuerlichen Korrekturen, nimmt dies die deutsche Finanzverwaltung in jüngster Zeit häufig zum Anlass, steuerstrafrechtliche Ermittlungen gegen den Arbeitgeber einzuleiten. Hintergrund dieser Vorgehensweise ist regelmäßig, dass die Lohnsteuer nicht der sogenannten Vollverzinsung unterliegt. Das bedeutet, dass bei Feststellungen z.B. im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung, die zu einer Nacherhebung von Lohnsteuer führen, „lediglich“ der nachgeforderte Lohnsteuerbetrag zu entrichten ist, dieser Nachforderungsbetrag aber von der Finanzverwaltung nicht mit Zinsen belegt werden kann. Werden jedoch straf- oder bußgeldrechtliche Ermittlungen eingeleitet, hat dies regelmäßig zum Ziel, den aus Sicht der Finanzverwaltung beim Unternehmen eingetretenen Zinsvorteil abzuschöpfen. Dies kann durch Festsetzung von Hinterziehungszinsen von 6 % pro Jahr, aber auch durch Bußgelder oder Verfallsanordnungen gegen das Unternehmen erfolgen. Die deutlich verschärfte Praxis der Finanzverwaltung sollte daher zum Anlass genommen werden, unter dem Gesichtspunkt einer guten Tax Compliance möglichst „wasserdichte“ Prozesse zur Einrichtung und Durchführung von Gehaltsabrechnungen zu implementieren, um eine möglichst vollständige, zutreffende und zeitnahe Erhebung der fälligen Lohnsteuer abzusichern.
Angesichts dieser Risiken stellt sich nunmehr die Frage, wie Fehler in Gehaltsabrechnungen, die der Arbeitgeber erst nach Ablauf des Kalenderjahres und nach der Übermittlung bzw. Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigung erkennt, zu korrigieren sind. Die gleiche Frage kann sich auf einer anderen Ebene auch für den entsandten Arbeitnehmer stellen, der nach Abgabe seiner Einkommensteuererklärung oder nach Erhalt des entsprechenden Steuerbescheides erkennt, dass er unvollständige Angaben in seiner Steuererklärung gemacht hat, die zu einer höheren Steuerfestsetzung geführt hätten.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, eine Korrektur der fehlerhaften Gehaltsabrechnung mit dem nächsten Lohnzahlungszeitraum vorzunehmen. Ist jedoch die Lohnsteuerbescheinigung des entsprechenden Jahres bereits übermittelt bzw. ausgestellt worden, kann eine Anzeige über nicht vorschriftsmäßig einbehaltene Lohnsteuer gemäß § 41c EStG dem Finanzamt übermittelt werden. In diesem Fall ist jedoch zu beachten, dass die Finanzämter die nachzuentrichtende Lohnsteuer regelmäßig vom Arbeitnehmer einfordern werden. Im Rahmen von Mitarbeiterentsendungen, denen eine Nettolohnvereinbarung zugrunde liegt, würde eine solche Forderung des Finanzamts jedoch der vertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber widersprechen. Das Instrument der sogenannten 41c-Meldung „passt“ vom gesetzlichen Regelungscharakter nicht eindeutig auf Fälle, denen eine Nettolohnvereinbarung zugrunde liegt, da der Arbeitnehmer eben nicht mit der tatsächlichen Steuer belastet werden soll. Hilfsweise kann in diesen Fällen die 41c-Meldung mit einer Erläuterung des noch nicht lohnversteuerten (Netto-)Arbeitslohns und dem entsprechend durch Hochrechnung ermittelten Bruttoarbeitslohnes inklusive der Lohnsteuer (zzgl. des Solidaritätszuschlages und ggfs. der Kirchensteuer) dem Finanzamt übersandt wird. Diese Meldung muss darüber hinaus den Antrag enthalten, dass ein Haftungsbescheid hinsichtlich der nachzuentrichtenden Steuerbeträge gegenüber dem Arbeitgeber erlassen werden soll. Die Crux dieser Vorgehensweise besteht darin, dass die gesetzlichen Regelungen nicht auf Nettolohnvereinbarungen zugeschnitten sind und deshalb der Erlass eines Haftungsbescheids zwar eine pragmatische aber gesetzlich nicht vorgesehene Lösung darstellt. Hinsichtlich der Überweisung der nachträglich abzuführenden Steuerbeträge empfehlen wir Ihnen daher, mit dem Betriebsstättenfinanzamt abzustimmen, auf welche Weise die Steuerzahlungen zu leisten sind, weil – wie zuvor dargestellt – die gesetzliche Konzeption der 41c-Meldung auf Nettolohnvereinbarungen nicht passt.
Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelung zur Vorgehensweise bei Nettolohnvereinbarungen, können in der Praxis auch gesonderte Absprachen mit den Betriebsstättenfinanzämtern getroffen werden. Wir empfehlen in diesen Fällen jedoch diese schriftlich, beispielsweise mittels Lohnsteueranrufungsauskunft gemäß § 42e EStG, zu stellen, um eine entsprechende Dokumentation der abgestimmten Vorgehensweise vorhalten zu können.
Um der Problematik des nicht vollständig lohnsteuerlich erfassten Arbeitslohns entgegenzuwirken, ist es gerade im Fall von internationalen Mitarbeiterentsendungen innerhalb eines Konzernverbundes entscheidend, dass robuste Prozesse zum Reporting der jeweiligen Vergütungsbestandteile existieren - im Idealfall sind hier alle betroffenen Konzerngesellschaften und alle vom Konzern beauftragten Dienstleister (z.B. Relocation Service oder Immigration Service) involviert. Hierbei ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass bei einer Steuerpflicht des Mitarbeiters im Gastland die entsprechenden steuerlichen Regelungen des Gastlandes zur Anwendung kommen, d.h. alle Vergütungsbestandteile aus dem Heimatland dem Gastland gemeldet werden, damit diese nach den lokalen steuerlichen Regelungen des Gastlandes erfasst werden können.
Sollten Lohnsteueraußenprüfungen aufgrund eines fehlerhaft vorgenommenen Lohnsteuereinbehalts zu einer Haftung des Arbeitgebers führen, ist im Anschluss an die Prüfung ein verstärktes Augenmerk darauf zu legen, dass entsprechende Fehler in der Gehaltsabrechnung behoben werden. Sollten dieselben Fehler im Rahmen einer späteren Lohnsteueraußenprüfung erneut festgestellt werden und zu einer Haftung des Arbeitgebers führen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Finanzverwaltung hierbei zumindest eine leichtfertige Steuerverkürzung annehmen könnte, die im Rahmen eines Bußgeldverfahrens geahndet werden kann. In der Praxis ist es leider auch häufig anzutreffen, dass die Finanzämter in Fällen, in denen bekannte Defizite nicht abgestellt und fällige Lohnsteuern permanent mit erheblicher Verspätung gezahlt werden, eine mit bedingtem Vorsatz begangene Steuerhinterziehung unterstellen. Hierbei kommt es natürlich auch darauf an, wie hoch die steuerlichen Auswirkungen sind und welche Art von Fehlern vorlag. Nichtsdestotrotz sollten die Mitarbeiter der Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie die hierfür verantwortliche Managementebene dafür Sorge tragen, dass die Gehaltsabrechnungen den geltenden steuerlichen Vorschriften entsprechen.
Auch für Arbeitnehmer kann sich die Frage stellen, wie Fehler in der privaten Einkommensteuererklärung korrigiert werden können, wenn beispielsweise nach Abgabe der Steuererklärung oder nach Erhalt des Einkommensteuerbescheides festgestellt wird, dass Einkünfte unvollständig angegeben worden sind. Grundsätzlich kann in einem solchen Fall eine Berichtigung der Veranlagung zur Einkommensteuer gemäß § 153 AO beantragt werden. Aus Vorsichtsgründen sollten solche Berichtigungsanzeigen in formaler Hinsicht die Anforderungen einer strafbefreienden Selbstanzeige erfüllen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Finanzverwaltung die Verwirklichung eines strafbaren Steuerdelikts unterstellt. Zu beachten ist nunmehr, dass mit Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes die Regelungen der strafbefreienden Selbstanzeige erheblich verschärft wurden. Liegt eine (vorsätzliche) Steuerhinterziehung vor – oder behauptet die Finanzverwaltung das Vorliegen eines solchen Delikts -, kann eine Nacherklärung nur dann zur Straffreiheit führen, wenn der Arbeitnehmer, bezogen auf die jeweilige Steuerart, für den kompletten strafrechtlich noch nicht verjährten Zeitraum (von in der Regel fünf Jahren) vollständige und richtige Angaben macht. An dieser Stelle möchten wir Sie darauf hinweisen, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige neben den privaten Einkünften des Mitarbeiters (z.B. Kapitaleinkünfte oder Vermietungseinkünfte), die unvollständig erklärt wurden, ebenfalls Arbeitslohn, der nicht korrekt dem Lohnsteuerabzug unterworfen wurde, enthalten muss. Hier ist die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmerebene streng zu trennen.
Im Zusammenspiel mit der Außenprüfung bei Privatpersonen – wir berichteten dazu ausführlich in unserem Thema des Monats vom 25.01.2011 – und dem Inkrafttreten des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes kann der Prüfungsanordnung der Finanzbehörde nunmehr eine entscheidende Rolle zukommen. Bisher bestand nach Eingang einer Prüfungsanordnung bis zum tatsächlichen Erscheinen des Prüfers noch die Möglichkeit, die unrichtigen oder unvollständigen Angaben mit strafbefreiender Wirkung gegenüber dem Finanzamt richtig zu stellen. Aufgrund der Gesetzesänderung gilt die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung als Sperrgrund für die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige. Die Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen betrifft nicht nur die private Außenprüfung auf Ebene des Arbeitnehmers, sondern auch Betriebs- und Lohnsteueraußenprüfungen auf Ebene des Arbeitgebers. Hervorzuheben ist, dass die Verschärfung des Sperrgrundes nur im Falle einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung gilt. Für den Bußgeldtatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung führt weder die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung noch das Erscheinen des Prüfers zu einem Ausschluss der strafbefreienden Wirkung einer Korrekturerklärung. Angesichts des geänderten und verschärften Risikoprofils ist jedoch in jedem Fall von Beginn der Entsendung an darauf hinzuwirken, dass dem Mitarbeiter bewusst ist, dass alle steuerpflichtigen Einkünfte zwingend erklärt werden müssen.
Gerade im Fall von Nettolohnvereinbarungen beschränkt sich eine nicht korrekte oder nicht zeitnah erfolgende Versteuerung nicht nur auf den Steuerpflichtigen selbst, sondern kann ggf. auch Risiken für den Arbeitgeber hervorrufen. Eine ganz entscheidende Rolle spielen an dieser Stelle der Arbeitgeber und der steuerliche Berater. Beide, der Arbeitgeber aus arbeitsrechtlicher und der steuerliche Berater aus steuerlicher Sicht, müssen beim Entsandten eine Sensibilisierung für dieses Thema erreichen. Die von Deloitte zu Beginn einer Entsendung regelmäßig durchgeführten Beratungsgespräche bieten hierzu eine hervorragende Möglichkeit. Gerne unterstützt Deloitte Sie auch bei der Einführung bzw. Umsetzung eines funktionierenden Reportings von Vergütungsbestandteilen innerhalb der bei internationalen Mitarbeiterentsendungen involvierten Konzerngesellschaften. Eine rechtzeitige Befassung mit Fragen der Tax Compliance ist produktiver und kostengünstiger, als aufgezwungene Abwehrmaßnahmen nach einem Aufgriff durch die Finanzverwaltung. Darüber hinaus stehen wir Ihnen gern bei der Begleitung von Lohnsteueraußenprüfung oder bei der Umsetzung von Anpassungen nach einer solchen Prüfung zur Seite, sprechen Sie uns an!
Eine detaillierte Besprechung zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz finden Sie in unseren Tax News vom 06.05.2011.
Fundstelle
Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2011, Teil I, Nr. 19, S. 676
Ansprechpartner
Katrin Köhler I Düsseldorf