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15.12.2009
Thema des Monats

Abkommensrechtliche Zuordnung von Besteuerungsrechten für Abfindungen im Fall von Verständigungsvereinbarungen

Bereits in unserer Ausgabe 2/2005 haben wir Sie zum Thema der abkommensrechtlichen Zuordnung von Besteuerungsrechten für Abfindungen informiert. Wie bereits damals ausgeführt, gehören Abfindungen grundsätzlich zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10.07.1996 (sog. „Seemannsurteil“) stellen Abfindungen im Rahmen der deutschen abkommensrechtlichen Auslegung jedoch ihrem Charakter nach weder zusätzliches Entgelt für die frühere Tätigkeit dar, noch werden diese für eine konkret im Inland oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt. Vielmehr soll eine Abfindung der finanziellen Überbrückung des (potenziell arbeitsfreien) Zeitraums nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses dienen. Demnach steht das Besteuerungsrecht ausschließlich dem abkommensrechtlichen Ansässigkeitsstaat im Zeitpunkt der Auszahlung zu. Diese Grundsätze für die Besteuerung von Abfindungszahlungen werden auch durch die Finanzverwaltung bestätigt (siehe BMF-Schreiben vom 14.09.2006).

In manchen Vertragsstaaten werden jedoch Abfindungen – aufgrund der dortigen nationalen abkommensrechtlichen Auslegung – der Tätigkeit zugeordnet, die im Rahmen des früheren Arbeitsverhältnisses ausgeübt wurde. Dies hat zur Folge, dass das Besteuerungsrecht für die Abfindung dem Vertragsstaat zugeordnet wird, in dem auch die frühere Tätigkeit ausgeübt wurde. Diese unterschiedliche Sichtweise führt in bestimmten Fällen zur Generierung von sog. „weißen Einkünften“, d.h. Einkünfte, für die keinem Vertragsstaat das Besteuerungsrecht für die Abfindung zugewiesen wird.

Zur Vermeidung derartiger „weißer Einkünfte“ hat die deutsche Finanzverwaltung mit bestimmten Vertragsstaaten (der Schweiz, Belgien, den Niederlanden sowie Österreich) sog. Verständigungsvereinbarungen hinsichtlich der Besteuerung von Abfindungen geschlossen bzw. beabsichtigt, solche zu schließen. Grundsätzlich richtet sich die Zuweisung des Besteuerungsrechts in den bestehenden Verständigungsvereinbarungen nach dem wirtschaftlichen Hintergrund der Zahlung. Ist einer Abfindung demnach Versorgungscharakter beizumessen, z.B. Auszahlung von kapitalisierten Pensionszahlungen o.ä., fällt das Besteuerungsrecht dem abkommensrechtlichen Ansässigkeitsstaat zu. Wird die Abfindung dagegen als Gehaltszahlung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für die Auflösung dieses Arbeitsverhältnisses geleistet, wird das Besteuerungsrecht dem Staat zugewiesen, in dem die frühere Tätigkeit ausgeübt wurde. Wie bereits in der Ausgabe 6/2009 geschildert, hat die Oberfinanzdirektion (OFD) Rheinland am 16.03.2009 in einer Kurzmitteilung bekanntgegeben, dass eine Verständigungsvereinbarung mit Österreich bezüglich des Besteuerungsrechts bei Abfindungszahlungen an Arbeitnehmer wegen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses geplant ist. Danach soll das Besteuerungsrecht dem ehemaligen Tätigkeitsstaat zugewiesen werden. Die bestehenden Grundsätze werden in Österreich und von der deutschen Finanzverwaltung bereits angewendet.

Mit zwei Urteilen vom 02.09.2009 hat der BFH nun über die Zuweisung des Besteuerungsrechts von Abfindungen anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Vorliegen von Verständigungsvereinbarungen zwischen den Vertragsstaaten entschieden. Die Finanzgerichte (FG) Köln und München hatten bereits in ihren Urteilen vom 30.01.2008 und vom 24.10.2008 entschieden, dass die bestehenden Verständigungsvereinbarungen zwischen Deutschland und Belgien sowie Deutschland und der Schweiz mangels Zustimmungsgesetzes kein innerstaatliches Recht geworden und demnach nicht bindend sind. Folglich wurde in beiden Fällen aufgrund der deutschen abkommensrechtlichen Auslegung das Besteuerungsrecht für die Abfindungen weiterhin dem abkommensrechtlichen Ansässigkeitsstaat zugewiesen. Gegen diese Entscheidungen wurde jeweils Revision eingelegt. Über den Fall des FG Köln berichteten wir ausführlich in unserer Ausgabe 5/2008.

In seinen Entscheidungen vom 02.09.2009 hat sich der BFH den Ausführungen der FG Köln und München angeschlossen. Die Verständigungsvereinbarungen sind nicht innerstaatliches Recht geworden: Völkerrechtliche Verträge (wie eine Vereinbarung zwischen den Finanzbehörden zweier Staaten) werden nur auf der Grundlage eines Zustimmungsgesetzes Bestandteil der innerstaatlichen Ordnung. Die Revisionen wurden in beiden Fällen als nicht begründet zurückgewiesen. 

Ausgehend von diesen Entscheidungen unterliegen Abfindungen für die Auflösung von Arbeitsverhältnissen grundsätzlich aufgrund deutscher abkommensrechtlicher Auslegung auch bei Vorliegen von anderslautenden Verständigungsvereinbarungen (ohne entsprechendem Zustimmungsgesetz) im abkommensrechtlichen Ansässigkeitsstaat der Besteuerung. Diese Urteile bestätigen die bisherige Rechtsprechung des BFH.

Für die Praxis sind die oben genannten BFH-Urteile nicht nur für noch strittige Fälle bezüglich der Anwendung der Verständigungsvereinbarungen mit Belgien oder der Schweiz, sondern auch im Zusammenhang mit der künftigen Verständigungsvereinbarung mit Österreich oder der bestehenden Verständigungsvereinbarung mit den Niederlanden von besonderer Bedeutung.

Für Fälle, in denen diese Verständigungsvereinbarungen bereits angewendet wurden, muss vor dem Hintergrund der oben geschilderten BFH-Rechtsprechung die Rechtskraft hinterfragt werden. Sollte die Finanzverwaltung der Verständigungsvereinbarung gefolgt sein und ergeben sich hierdurch – im Vergleich zur deutschen abkommensrechtlichen Auslegung – Nachteile für den Steuerpflichtigen, so sollte geprüft werden, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind.

Grundsätzlich ist bei Fällen mit Auslandsbezug vor Abschluss eines Auflösungsvertrags eine Prüfung zu empfehlen, welchem Vertragsstaat das Besteuerungsrecht für die Abfindungszahlung zugewiesen wird. Dies kann letztendlich nicht allein durch eine deutsche abkommensrechtliche Beurteilung erfolgen, sondern auch der jeweils andere Vertragsstaat sollte hinsichtlich dessen nationaler abkommensrechtlicher Sichtweise befragt werden. Bei Vorliegen von Verständigungsvereinbarungen ist außerdem zu prüfen, ob hierzu bereits ein Zustimmungsgesetz in Deutschland ergangen ist und ob die Verständigungsvereinbarung im anderen Vertragsstaat angewandt wird. Diese Prüfung hilft zum einen bei der Vermeidung von Doppelbelastungen, die ansonsten nur im Rahmen eines zeitaufwendigen Verständigungsverfahrens zwischen beiden Vertragsstaaten beseitigt werden können, und zum anderen gibt sie dem Steuerpflichtigen Auskunft über die zu erwartenden Steuerbelastungen in den Vertragsstaaten. Auch eine Lohnsteueranrufungsauskunft bzw. die Beantragung einer Freistellungsbescheinigung ist in den Fällen zu empfehlen, in denen sich das Besteuerungsrecht für die Abfindung aufgrund des Sachverhalts nicht eindeutig einem Vertragsstaat zuweisen lässt. Dies gibt dem Arbeitgeber die Sicherheit, die Lohnsteuer richtig abzuführen und das Risiko hinsichtlich einer evtl. Lohnsteuerhaftung auszuschließen. Wir beraten Sie gern, sprechen Sie uns an!

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