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29.08.2016
Thema des Monats

BMF: Steuerliche Einordnung von schweizerischen Pensionskassen in Deutschland

Vor allem Grenzgänger in die Schweiz (d. h., Arbeitnehmer, die in Deutschland wohnen und ansässig sind, aber in der Schweiz arbeiten und regelmäßig an ihren deutschen Wohnsitz zurückkehren) sind regelmäßig von der Problematik der Besteuerung von Beiträgen in oder Leistungen aus schweizerischen Versorgungseinrichtungen in Deutschland betroffen. Aber auch Arbeitnehmer, die für einen vorübergehenden Zeitraum in die Schweiz entsandt werden und dort während ihrer Entsendung in schweizerische Altersvorsorgesysteme einzahlen, werden regelmäßig mit dieser Thematik konfrontiert. Insbesondere Fragestellungen im Zusammenhang mit der einkommensteuerlichen Behandlung von Beiträgen an und Leistungen aus Vorsorgeeinrichtungen nach der zweiten Säule der schweizerischen Altersvorsorge (berufliche Vorsorge, sog. schweizerische Pensionskassen) sind daher immer wieder Gegenstand von Verfahren vor dem deutschen Bundesfinanzhof (BFH).

Der BFH hat dabei in jüngster Vergangenheit die bisherige Verwaltungsauffassung zur einkommensteuerlichen Behandlung der Beiträge in und der Leistungen aus schweizerischen Pensionskassen auf den Prüfstand gestellt und u. a. entgegen der bisherigen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung entschieden, dass bei der Besteuerung von Kapitalleistungen aus privatrechtlichen schweizerischen Pensionskassen zwingend zwischen dem sog. Obligatorium (gesetzlich vorgeschriebene Mindestabsicherung) und dem sog. Überobligatorium (über die Mindestabsicherung hinausgehende Leistungen) zu unterscheiden ist. Da sich eine Änderung der Besteuerung in der Auszahlungsphase rechtssystematisch auch auf die Einzahlungsphase auswirkt, musste die Finanzverwaltung – um diese Rechtsprechung des BFH anwenden zu können – die schweizerischen Pensionskassen sowohl in der Auszahlungsphase als auch in der Einzahlungsphase aus einkommensteuerlicher Sicht neu qualifizieren. Hierzu hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nunmehr in seinem Schreiben vom 27.07.2016 ausführlich Stellung genommen und die Grundsätze der jüngsten BFH-Rechtsprechung übernommen.

1. Schweizerische Pensionskasse – die zweite Säule des schweizerischen Altersvorsorgesystem

Das schweizerische Altersvorsorgesystem basiert auf einem „Drei-Säulen-Modell“: Die erste Säule stellt – vergleichbar mit der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung – die staatliche Vorsorge dar, welche für die gesamte Bevölkerung verpflichtend ist und der Deckung des Existenzbedarfs dient (Alters- und Hinterlassenenversicherung, AHV und Invalidenversicherung, IV). Die zweite Säule bildet die berufliche Vorsorge ab (sog. schweizerische Pensionskasse) und soll die staatlichen Altersvorsorgeleistungen so ergänzen, dass die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung im Rentenalter in angemessener Weise ermöglicht wird. Als dritte Säule dient die private Vorsorge der Deckung weiterer individueller Bedürfnisse im Alter, z. B. in Form von Kapitallebensversicherungen, Sparkonten und Investmentfonds (eine ausführliche Darstellung des schweizerischen „Drei-Säulen-Modells“ können Sie unserem Beitrag vom 27.02.2013 in den Deloitte Tax News entnehmen). Gegenstand des oben genannten BMF-Schreibens (und damit auch dieses Beitrags) ist ausschließlich die steuerliche Qualifikation der zweiten Säule des schweizerischen Altersvorsorgesystems.

Die berufliche Vorsorge der zweiten Säule erfolgt über eine in das Register für die berufliche Vorsorge eingetragene Vorsorgeeinrichtung (z. B. eine Pensionskasse, Stiftung oder ein Freizügigkeitskonto). Im Rahmen einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit leisten sowohl Arbeitnehmer, als auch Arbeitgeber Beiträge an die Vorsorgeeinrichtung. Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmer, die in der Schweiz beschäftigt sind, das 17. Lebensjahr vollendet haben und einen Jahreslohn von mehr als 21.150 Schweizer Franken beziehen, verpflichtend nach dem Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25.06.1982 (BVG).

Innerhalb der beruflichen Vorsorge wird zwischen einer gesetzlichen Mindestversicherung durch die Vorsorgeeinrichtung (sog. Obligatorium, Säule 2a) und einer darüber hinaus gehenden Vorsorgeverpflichtung (sog. Überobligatorium, Säule 2b) unterschieden. Das Obligatorium ist grundsätzlich für alle Arbeitnehmer gesetzlich verpflichtend und besitzt einen öffentlich-rechtlichen Leistungsumfang. Die Leistungen hieraus werden in der Regel in Form einer Rente bezogen. Eine Kapitalabfindung des obligatorischen Altersguthabens ist grundsätzlich frühestens fünf Jahre vor Erreichen des Rentenalters oder unter bestimmten Voraussetzungen möglich (z.B., wenn die Leistung für den Erwerb von Wohneigentum verwendet wird). Bei dem Überobligatorium handelt es sich um eine weitergehende Vorsorge, dessen Leistungsumfang auf privat-rechtlicher Basis (durch den Abschluss des Arbeitsvertrages) bestimmt wird, eine gesetzliche Pflicht zur Beitragszahlung gibt es hier nicht. Im Gegensatz zum obligatorischen Altersguthaben ist das überobligatorische Altersguthaben auch uneingeschränkt kapitalisierbar.

Die Besteuerung der Beiträge in und der Leistungen aus einer Schweizer Pensionskasse in Deutschland erfolgt nach Auffassung des BMF wie folgt:

2. Einkommensteuerliche Behandlung der Beiträge in und Leistungen aus einer schweizerischen Pensionskasse

Bisher hatte die Finanzverwaltung die schweizerischen Pensionskassen – und zwar sowohl die obligatorische, als auch die überobligatorische Absicherung – für einkommensteuerliche Zwecke wie eine deutsche gesetzliche Rentenversicherung behandelt. Dies hatte zur Folge, dass hier ebenfalls grundsätzlich die Arbeitgeberbeiträge steuerfrei belassen werden konnten (bzw. diejenigen in das Überobligatorium bis zur Beitragsbemessungsgrenze der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung). Die Arbeitnehmerbeiträge und ein etwaiger nicht steuerfrei gestellter Teil der Arbeitgeberbeiträge konnten als Sonderausgaben (Beiträge in die Basisvorsorge) in Abzug gebracht werden. In der Auszahlungsphase wurden die Rentenzahlungen sowie kapitalisierte Einmalzahlungen aus der Pensionskasse ebenfalls grundsätzlich mit dem maßgeblichen Besteuerungsanteil (2016: 72 %) angesetzt.

Von dieser Sichtweise weicht die Finanzverwaltung in dem BMF-Schreiben vom 27.07.2016 unter Anwendung der jüngsten BFH-Rechtsprechung nunmehr ab, indem bei der steuerlichen Behandlung von Beiträgen in und Leistungen aus einer schweizerischen Pensionskasse zwischen dem Obligatorium und dem Überobligatorium unterschieden werden muss (sog. Zweiteilungsgrundsatz): Nur das Obligatorium ist nach Auffassung der Finanzverwaltung entsprechend der BFH-Rechtsprechung mit einer deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar, nicht jedoch das Überobligatorium, bei dem es sich vielmehr um eine privatrechtliche Rechtsbeziehung handelt. Sowohl die Beiträge in als auch die Leistungen aus dem Überobligatorium müssen somit in einen obligatorischen und einen überobligatorischen Teil aufgeteilt werden. Dies soll sowohl für privatrechtliche als auch für öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen (im Regelfall die Pensionskassen öffentlich-rechtlicher schweizerischer Arbeitgeber) gelten. Für die einkommensteuerliche Behandlung bedeutet dies das Folgende:

a) Obligatorium

Beiträge des Arbeitgebers in das Obligatorium einer schweizerischen Pensionskasse sind – da sie Zukunftssicherungsleistungen darstellen, zu deren Zahlung der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist – in vollem Umfang steuerfrei. Die Arbeitnehmerbeiträge können bis zu bestimmten Höchstbeträgen als Sonderausgaben der Basisvorsorge in Abzug gebracht werden.

Sowohl Leistungen, die in Form von Renten, aber auch Kapitalabfindungen, die aus dem Obligatorium gezahlt werden (soweit überhaupt möglich), sind grundsätzlich mit dem maßgebenden Besteuerungsanteil anzusetzen (sog. Kohorten-Prinzip). Kapitalabfindungen können dabei als Vergütung für mehrjährige Tätigkeit ermäßigt besteuert werden, soweit die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

b) Überobligatorium

Arbeitgeberbeiträge in das Überobligatorium werden als sog. Zukunftssicherungsleistungen ohne eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers zu deren Zahlung behandelt und sind daher – im Gegensatz zu den Arbeitgeberbeiträgen in das Obligatorium – nicht in vollem Umfang steuerfrei. Vielmehr sind diese nur insoweit und damit beschränkt steuerfrei, als sie insgesamt die Hälfte der Gesamtaufwendungen des Arbeitnehmers nicht übersteigen und nicht höher sind als der Betrag, der als Arbeitgeberanteil bei Versicherungspflicht in der allgemeinen inländischen Rentenversicherung zu zahlen wäre (dabei sind die steuerfreien Zukunftsleistungen des Arbeitgebers zur AHV/IV und in das Obligatorium anzurechnen). Die Arbeitnehmerbeiträge und die steuerpflichtigen Arbeitgeberbeiträge können zudem nicht mehr als Sonderausgaben abgezogen werden.

Abweichend von der bisherigen Rechtsauffassung der Verwaltung sind damit aber auch die Leistungen aus dem Überobligatorium, die als Leibrente ausgezahlt werden, nunmehr nicht mehr mit dem Besteuerungsanteil im Rahmen des Kohorten-Prinzips, sondern lediglich mit dem – für den Arbeitnehmer regelmäßig günstigeren – Ertragsanteil zu besteuern (z. B. 22 % mit Beginn der Rente bei Alter 60). Die Besteuerung von Leistungen aus dem Überobligatorium in Form von Kapitalabfindungen richtet sich nach den allgemeinen Regelungen zur Besteuerung von Versicherungsverträgen; dies soll entgegen der jüngsten BFH-Rechtsprechung (wonach Kapitalleistungen aus öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit dem Ertragsanteil zu besteuern sein sollen) nach Auffassung der Finanzverwaltung auch für Leistungen aus öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen gelten. Dies bedeutet, dass bei Kapitalabfindungen grundsätzlich der Unterschiedsbetrag zwischen der Auszahlung und den hierauf beruhenden Beiträgen, und damit lediglich der Zinsanteil, besteuert wird. Statt des persönlichen Steuersatzes des Arbeitnehmers ist unseres Erachtens zudem die sog. Abgeltungssteuer in Höhe von 25 % anwendbar. Für Altverträge (d. h. Versicherungsverträge, die vor dem 01.01.2005 abgeschlossen worden sind) mit einer Beitragsdauer von mehr als 12 Jahren kann die geänderte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung sogar zur vollumfänglichen „Steuerfreiheit“ der gesamten Kapitalauszahlung führen.

c) Anwendungsvorschriften

Anzuwenden sind die Neuregelungen zur Beitragsbesteuerung im Hinblick auf das Überobligatorium ab dem Veranlagungszeitraum 2016. Die Grundsätze zur Besteuerung von Leistungen aus dem Überobligatorium von privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Im Hinblick auf Leistungen aus dem Überobligatorium von öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen sind die Neuregelungen des BMF-Schreibens erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2015 anzuwenden; bis zum Veranlagungszeitraum 2014 muss eine Kapitalabfindung aus dem überobligatorischen Teil jedoch statt mit dem Zinsanteil bzw. ggfs. gar nicht, falls ein Altvertrag vorliegt – noch mit dem Ertragsanteil (ggfs. ermäßigt besteuert als Vergütung für mehrjährige Tätigkeit) besteuert werden. Darüber hinaus sind die Regelungen des neuen BMF-Schreibens in allen noch offenen Fällen anzuwenden.

Im Ergebnis bleiben auch nach der neuen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung unter Anwendung des sog. Zweiteilungsgrundsatzes die obligatorischen Arbeitgeberbeiträge in die schweizerische Pensionskasse weiterhin steuerfrei und Auszahlungen des obligatorischen Guthabens werden wie bisher grundsätzlich mit dem maßgeblichen Besteuerungsanteil besteuert (ggfs. ermäßigt als Vergütung für mehrjährige Tätigkeit). Im Hinblick auf den überobligatorischen Teil wirkt sich die geänderte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung in der Leistungsphase in der Regel steuerlich günstiger aus, da die Leistungen in Form von Leibrenten nunmehr mit dem Ertragsanteil bzw. die Leistungen in Form von Kapitalauszahlungen mit dem Zinsanteil (und der Anwendung der ggfs. günstigeren 25 %igen Abgeltungssteuer bzw. vollumfänglichen „Steuerfreiheit“ bei Altverträgen) statt wie bisher mit dem maßgeblichen Besteuerungsanteil besteuert werden.

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 27.07.2016, IV C 3 – S 2255/07/10005: 004, IV C 5 - S 2333/13/10003.

Ihre Ansprechpartner

Christian Röpke

croepke@deloitte.de
Tel.:

Daniele Sendler

dsendler@deloitte.de
Tel.:

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