Beantragung von A1-Bescheinigungen bei kurzfristigen Entsendungen
Seit dem Inkrafttreten der neuen Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit innerhalb der Europäischen Union zum 01.05.2010 besteht für Unternehmen die allgemeine Verpflichtung, bei Entsendungen eine Bescheinigung über die anzuwendenden Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit (Vordruck A1) zu beantragen. Auch eine Dienstreise von kurzer Dauer stellt hierbei im sozialversicherungsrechtlichen Sinne eine Entsendung dar. Mit der Bescheinigung A1 kann nachgewiesen werden, dass der Arbeitnehmer für die Dauer seiner Entsendung weiterhin dem Sozialversicherungsrecht des Entsendestaates unterliegt und von der Anwendung der entsprechenden Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates befreit ist (siehe Beitrag vom 28.04.2010).
Mit Einführung der neuen Verordnung war die bisherige Vereinfachungsregelung über die Verwendung der Bescheinigung über die geltenden Rechtsvorschriften bei Entsendung von bis zu drei Monaten entfallen. Danach konnte der zuständige Sozialversicherungsträger einem Unternehmen für kurzfristige Entsendungen vorsorglich die entsprechenden Vordrucke aushändigen, welches diese selbst bei Bedarf verwenden konnte.
Die Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit hatte jedoch beschlossen, diese Regelung nicht fortzuführen, nachdem verschiedene Mitgliedstaaten eine fehlerhafte oder missbräuchliche Handhabung des Verfahrens beklagt hatten.
Es bestand daher in der Praxis seitens vieler Arbeitgeber Unsicherheit, ob nunmehr für jede kurzfristig anberaumte Geschäftsreise von kurzer Dauer eine Bescheinigung A1 im Vorfeld beim zuständigen Sozialversicherungsträger beantragt werden muss. Für die Unternehmen würde dies auf der einen Seite einen erheblichen bürokratischen Aufwand bedeuten und auf der anderen Seite könnte die Bescheinigung für sehr kurzzeitig angesetzte Dienstreisen nicht rechtzeitig beantragt und ausgestellt werden.
Vor diesem Hintergrund hat sich das für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf deutscher Seite zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) nach eingehender Prüfung der Rechtslage für eine flexiblere Handhabung ausgesprochen.
Das BMAS hat darauf hingewiesen, dass grundsätzlich für jede vorübergehende Entsendung in einen anderen Mitgliedstaat eine Bescheinigung A1 bei dem zuständigen Träger im Voraus zu beantragen ist. Bei kurzfristig anberaumten Geschäftsreisen und bei sehr kurzen Entsendezeiträumen von bis zu einer Woche kann es jedoch zweckmäßig sein, auf einen Antrag auf Ausstellung der Bescheinigung A1 zu verzichten. Allerdings ist das Vorliegen einer Entsendung auf Verlangen der prüfenden Stelle im Einzelfall durch eine nachträglich zu beantragende Bescheinigung A1 nachzuweisen. Der Europäische Gerichtshof hatte bereits in der Vergangenheit festgestellt, dass die zuständigen Träger die Bescheinigung auch für zurückliegende Zeiträume rechtswirksam ausstellen können (vgl. EuGH-Urteil vom 30.03.2000 in der Rechtssache C-178/97 „Banks“).
Das Recht, in jedem Fall eine Bescheinigung A1 auch für sehr kurzfristige Entsendungen zu beantragen, bleibt unberührt, zumal hierdurch mögliche Probleme für die entsandten Personen vermieden werden. Es ist nicht auszuschließen, dass es in einigen Mitgliedstaaten im Rahmen einer Kontrolle bei fehlender Bescheinigung A1 zu Behinderungen beim Betreten eines Betriebsgeländes oder zu behördlichen Maßnahmen wie dem sofortigen Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen kommt.
Nach unserer Einschätzung bedeutet die Möglichkeit, auf eine vorherige Beantragung und Ausstellung der Bescheinigung A1 bei Entsendungen von bis zu einer Woche zu verzichten, eine deutliche Erleichterung für den Arbeitgeber. Dennoch stellt sich in der Praxis weiterhin die Herausforderung, die im Ausland tätigen Mitarbeiter zu identifizieren sowie effektive Prozesse zur Beantragung der notwendigen Bescheinigungen A1 zu implementieren. Hierbei unterstützen Sie unsere Sozialversicherungsexperten selbstverständlich gerne.
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Jens Glaser I Düsseldorf