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20.06.2014
Thema des Monats

Aktuelle Rechtsprechung zur Besteuerung einer Abfindung bei beschränkt Steuerpflichtigen – Bindungswirkung von Konsultationsvereinbarungsverordnungen

Hintergrund
Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ist ein heikles Thema. Auch aus steuerrechtlicher Sicht gibt es hierbei insbesondere bei der Zahlung von Abfindungen einiges zu beachten – gerade wenn internationale Sachverhalte betroffen sind. Die Zuordnung des Besteuerungsrechts für Abfindungen aufgrund des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis bei grenzüberschreitenden Sachverhalten (z.B. der Arbeitnehmer erhält eine Abfindung erst nach seinem Wegzug ins Ausland) ist daher regelmäßig Gegenstand der finanzgerichtlichen Rechtsprechung. Für den Fall eines in die Schweiz verzogenen Arbeitnehmers hatte das FG Hessen als erstinstanzliches Finanzgericht mit Urteil vom 08.10.2013 entschieden, dass eine Abfindungszahlung für die Auflösung eines Dienstverhältnisses bei Zahlung zu einem Zeitpunkt, zu dem der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz nicht mehr im Inland hat – sondern in diesem Fall in der Schweiz – nach Art. 15 Abs. 1 Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz nicht mehr der deutschen Besteuerung unterliegt. Eine in der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20.12.2010 (schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung) enthaltene, von den Vorschriften des Doppelbesteuerungsabkommens abweichende Regelung, habe keinen Gesetzesvorrang und sei deshalb unwirksam.

Überblick
Aufgrund der hohen Relevanz des Themas der Besteuerung von Entlassungsabfindungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer möchten wir Ihnen in dieser Ausgabe unter Einbeziehung der o.g. aktuellen Rechtsprechung nicht nur die jüngste Entwicklung auf diesem Gebiet, sondern auch in einem allgemeinen Überblick die steuerlichen Grundsätze dieser Thematik darstellen:

Erhält ein vormals in Deutschland ansässiger und auch im Inland tätiger Arbeitnehmer für die Auflösung seines Dienstverhältnisses eine Abfindung zu einem Zeitpunkt, zu dem er seinen Wohnsitz nicht mehr im Inland hat, so unterliegt diese Abfindung nach nationalem Recht in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben. Im Hinblick auf Länder, mit denen Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen hat, darf dieses deutsche Besteuerungsrecht jedoch nur dann ausgeübt werden, d.h., die Abfindung in Deutschland faktisch besteuert werden, sofern das Besteuerungsrecht hierfür nach dem entsprechenden DBA auch Deutschland zugewiesen wird. Abfindungen stellen für Zwecke der DBA regelmäßig Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar. Für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit steht nach den geltenden DBA regelmäßig dem Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht zu, soweit die Tätigkeit nicht in einem anderen Land ausgeübt wird/wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH werden Abfindungen, die aus Anlass der Beendigung von Arbeitsverhältnissen gezahlt werden, nicht für die (bisher ausgeübte) konkrete Tätigkeit gezahlt, sondern als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und den damit verbundenen Nachteilen. Eine Abfindung die aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird (nicht Zahlungen, durch die bereits vertraglich erdiente Ansprüche wie z.B. Urlaub und Tantiemeansprüche, Bonuszahlungen für abgelaufene Wirtschaftsjahre, Abfindung von Pensionsansprüchen sowie Zahlungen für ein Konkurrenz- oder Wettbewerbsverbot abgegolten werden), ist danach aufgrund der Mehrzahl der geltenden DBA nicht im (ehemaligen) Tätigkeitsstaat, sondern ausschließlich im Wohnsitz– bzw. abkommensrechtlichen Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Zahlung der Abfindung zu versteuern. Sofern ein Arbeitnehmer somit eine Abfindung zu einem Zeitpunkt erhält, zu dem er nicht mehr für doppelbesteuerungsrechtliche Zwecke in Deutschland ansässig ist, darf diese Abfindung aufgrund DBA nicht in Deutschland besteuert werden, auch wenn der Arbeitnehmer zuvor in Deutschland gearbeitet hat und die laufenden Einkünfte der deutschen Besteuerung unterlagen. Die Finanzverwaltung hat sich für Abfindungen anlässlich des Ausscheidens aus einem Dienstverhältnis im Grundsatz dieser (ständigen) Rechtsprechung des BFH angeschlossen. Auch das FG Hessen bestätigt in seinem oben genannten Urteil vom 08.10.2013 im Hinblick auf die Vorschriften des DBA Schweiz erneut diese Rechtsauffassung.

Unter Anwendung dieser Grundsätze können bei bestimmten Fallkonstellationen im Hinblick auf Abfindungszahlungen sog. „weiße Einkünfte“ entstehen (d.h., die Einkünfte werden faktisch nicht besteuert, z.B. weil der (neue) Wohnsitzstaat trotz abkommensrechtlicher Zuweisung des Besteuerungsrechts aufgrund nationaler Vorschriften nicht besteuert) bzw. kann eine Doppelbesteuerung eintreten. Um dies zu verhindern, hatte die Finanzverwaltung zunächst in Verständigungsvereinbarungen (sog. Konsultationsvereinbarungen) mit einzelnen Ländern (Schweiz, Niederlande, Belgien, Österreich, Luxemburg und Großbritannien) geregelt, dass für Abfindungen, die allgemein für die Auflösung des Arbeitsvertrags gewährt werden (und keinen Versorgungscharakter aufweisen), das Besteuerungsrecht abweichend von dem oben beschriebenen Grundsatz nicht dem Ansässigkeitsstaat, sondern dem früheren aktiven Tätigkeitsstaat zugewiesen werden soll. Im Hinblick auf die Konsultationsvereinbarungen mit Belgien und der Schweiz hatte der BFH jedoch entschieden, dass diese für die Gerichte nicht bindend seien und dass das ausschließliche Besteuerungsrecht entsprechend dem jeweiligen DBA ausschließlich dem abkommensrechtlichen Ansässigkeitsstaat zuzuweisen sei.

Um dennoch die gewünschten Rechtsfolgen der Konsultationsvereinbarungen, nämlich die Zuweisung des Besteuerungsrechts für Abfindungen an den (früheren) Tätigkeitsstaat zu erzielen, wurde mit dem Jahressteuergesetz 2010 in der Abgabenordnung (§ 2 Abs. 2 AO) eine Ermächtigung geschaffen, nach der das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrats Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen erlassen kann. Entsprechende Rechtsverordnungen zur Umsetzung der oben genannten Konsultationsvereinbarungen (sog. Konsultationsvereinbarungsverordnungen) mit den Ländern Schweiz, Niederlande, Belgien, Österreich, Luxemburg und Großbritannien existieren bereits, diese übernehmen im Wesentlichen die Regelung zur Zuordnung des Besteuerungsrechts der jeweiligen Konsultationsvereinbarung. Nach der (wohl) überwiegenden Auffassung in der Literatur bestehen jedoch Zweifel nicht nur an der Wirksamkeit der Konsultationsvereinbarungen, sondern auch an der Wirksamkeit der jeweiligen aufgrund der Regelung der Abgabenordnung erlassenen Rechtsverordnung zur Umsetzung der Vereinbarungen. Mit Urteil des FG Hessen vom 08.10.2013 ist die Wirksamkeit von Konsultationsvereinbarungsverordnungen nun erstmals Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung: Das hessische FG hat sich in seiner Entscheidung der überwiegenden Literatur-Auffassung angeschlossen und erachtet in dem ihm vorliegenden Fall die Konsultationsvereinbarungsverordnung mit der Schweiz als unwirksam: Eine Konsultationsvereinbarungsverordnung stehe im Rang unter dem Zustimmungsgesetz zum Doppelbesteuerungsabkommen. Soweit sie – wie im vorliegenden Fall – inhaltlich im Widerspruch zum Doppelbesteuerungsabkommen stehe, wahre sie nicht den sog. Vorrang des Gesetzes und sei daher nicht wirksam. Nach Auffassung des Finanzgerichts erziele sie damit keine Bindungswirkung für die Gerichte. In dem dem FG Hessen vorliegenden Fall war damit das Besteuerungsrecht für die Abfindung nicht – wie es in der Konsultationsvereinbarungsverordnung Schweiz vorgesehen ist – dem früheren Tätigkeitsstaat, sondern entsprechend der Regelung des DBA Schweiz dem (neuen) Wohnsitzstaat zum Zeitpunkt der Zahlung der Abfindung zuzuordnen. Die Rechtsauffassung des BFH zu den Konsultationsvereinbarungen ist damit erstinstanzlich auch im Hinblick auf die Konsultationsvereinbarungsverordnungen bestätigt worden.

Sofern Entlassungsabfindungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten grundsätzlich in den Anwendungsbereich von Konsultationsvereinbarungsverordnungen fallen, die über den Wortlaut des jeweiligen DBA hinaus gehen/durch den Wortlaut des DBA nicht gedeckt sind, sollten die betroffenen Veranlagungsverfahren daher gegebenenfalls offen gehalten werden. Sofern Sie und Ihre Mitarbeiter von dieser Thematik betroffen sind, sprechen Sie uns gerne an. Wir unterstützen Sie gerne sowohl bei laufenden Sachverhalten, als auch in der Planungsphase. 

Anmerkung
Mit Urteil vom 10.06.2015 hat der BFH die Auffassung des FG Hessen bestätigt. Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 ermögliche kein deutsches Besteuerungsrecht für eine Abfindungszahlung, die eine zuvor in Deutschland wohnende Person nach ihrem Wegzug in die Schweiz von ihrem bisherigen inländischen Arbeitgeber aus Anlass der Auflösung des Arbeitsverhältnisses erhält (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung). Der BFH geht insbesondere auf die Wirksamkeit von sog. Konsultationsvereinbarungsverordnungen ein, die zwar Bedeutung für die Auslegung der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung hätten, die "Grenzmarke" für das richtige Abkommensverständnis sei aber immer nur der Abkommenswortlaut. Werde das in der Konsultationsvereinbarung gefundene Abkommensverständnis durch den Wortlaut nicht gedeckt, könne die Vereinbarung die Gerichte nicht binden, d.h. sie haben keinen Gesetzesvorrang (ebenfalls Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).


Fundstellen
BFH, Urteil vom 10.06.2015, I R 79/13
Finanzgericht Hessen, Urteil vom 08.10.2013, 10 K 2176/11, EFG 2014, 288

Ihr Ansprechpartner

Peter Mosbach

pmosbach@deloitte.de
Tel.:

Christian Röpke

croepke@deloitte.de
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