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09.11.2018
Steuerrecht

BFH: Tarifbegünstigung bei Abfindungszahlungen – Umkehrung der Nachweisanforderungen?

Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens war eine Abfindungszahlung, die der Kläger, ein ehemaliger Verwaltungsangestellter, von seiner Arbeitgeberin aufgrund der Auflösung des Arbeitsverhältnisses erhalten hat. Grundlage für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist ein zwischen den Parteien geschlossener Auflösungsvertrag gewesen, wonach das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet wurde; im Gegenzug erhielt der Kläger eine Abfindung und verzichtete auf die Geltendmachung von etwaigen Ansprüche auf tarifliche Höhergruppierung. Dem Auflösungsvertrag waren Auseinandersetzungen des Klägers mit seiner Arbeitgeberin hinsichtlich seiner tariflichen Höhergruppierung vorangegangen. Nachdem die Arbeitgeberin im Rahmen von Personalabbaumaßnahmen bereits geplant hatte, rentennahe Angestellte gegen Zahlung von Abfindungen vorzeitig in den Ruhestand zu versetzen, war der Kläger an seine Arbeitgeberin herangetreten, um ein entsprechendes Angebot auf Abfindung zu erhalten. In der Veranlagung zur privaten Einkommensteuer des Klägers hat das Finanzamt die Anwendung der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG (sog. Fünftelregelung) auf die Abfindungszahlung abgelehnt, weil nicht erkennbar gewesen sei, dass der Arbeitnehmer bei Abschluss des Abfindungsvertrages unter einem erheblichen wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck gestanden habe. Das FG Münster gab der hiergegen gerichteten Klage statt und unterwarf die Abfindungszahlung dem ermäßigten Steuersatz.

Entscheidung

Mit seinem Urteil vom 13.03.2018 hat der BFH die Entscheidung des FG Münster bestätigt. Abfindungen wegen Auflösung des Dienstverhältnisses unterliegen nur dann der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG, wenn die Abfindung die Voraussetzungen einer Entschädigung im Sinne des Einkommensteuergesetzes erfüllt. Eine Entschädigung ist eine Leistung, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt wird, d.h., die an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen tritt. Diese andere Leistung muss nach ständiger Rechtsprechung des BFH dabei auf einem eigenständigen Rechtsgrund beruhen. Zudem muss der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst worden sein oder der betroffene Arbeitnehmer muss – sofern er an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat (z.B. durch Abschluss eines einvernehmlichen Auflösungsvertrages) – unter erheblichem rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck gestanden, d.h., sich in einer Zwangslage befunden, haben. Der betroffene Arbeitnehmer darf das schadenstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben.

In dem, dem Urteil des BFH vom 13.03.2018 zugrundeliegenden Fall war aufgrund des einvernehmlich geschlossenen Auflösungsvertrages genau dies streitig. Sofern ein Arbeitgeber im Zuge der (einvernehmlichen) Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung zahlt, ist nach Auffassung des BFH jedoch jedenfalls in der Regel davon auszugehen, dass der betroffene Arbeitnehmer die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht allein aus eigenem Antrieb herbeigeführt hat. Wäre dies der Fall, hätte der Arbeitgeber keine Veranlassung, eine Abfindung zu leisten; vielmehr sei anzunehmen, dass ein Arbeitgeber, der eine Abfindung zahlt, ein erhebliches Eigeninteresse an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses habe. Dass der betroffene Arbeitnehmer bei Abschluss des Vertrags über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter einem nicht unerheblichen Druck stand, bedürfe dann keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen mehr. Bei Personaleinsparprogrammen des Arbeitgebers – wie im vorliegenden Fall – greife die Regelvermutung bereits ein, wenn ein Arbeitnehmer zur Zielgruppe der Betroffenen gehört. Dann sei es auch unerheblich, ob die konkreten Abfindungsverhandlungen vom Arbeitgeber oder – wie hier – vom Arbeitnehmer eingeleitet worden seien. Im Ergebnis hat der BFH in seiner Entscheidung vom 13.03.2018 die Anwendung der ermäßigten Besteuerung auf die an den Kläger geleistete Abfindung bestätigt.

Betroffene Norm

EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a
EStG § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2
Streitjahr 2013.

Anmerkungen

Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung der (steuermindernden) Tarifermäßigung auf Abfindungszahlungen ist grundsätzlich der Steuerpflichtige beweispflichtig. Mit seiner Entscheidung vom 13.03.2018 hat der BFH nun die Beweislast hinsichtlich des Vorliegens einer Zwangslage des Arbeitnehmers bei einvernehmlich geschlossenen Auflösungsvereinbarungen in Form einer Regelvermutung umgekehrt. Hiernach dürfte nunmehr das Finanzamt nachweisen müssen, dass der Arbeitnehmer im Falle einer Abfindungszahlung aufgrund einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht unter erheblichem Druck gestanden hat, sondern das Arbeitsverhältnis aus eigenem Antrieb auflösen wollte.

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil vom 17.03.2017, 1 K 3037/14 E.

Fundstelle

 BFH, Urteil vom 13.03.2018, IX R 16/17.

Ihre Ansprechpartner

Christian Röpke
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croepke@deloitte.de
Tel.: 040 32080-4901

Daniele Sendler
Manager

dsendler@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-3863

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