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12.08.2020
Steuerrecht

BFH: Beiträge des österreichischen Arbeitgebers an eine österreichische betriebliche Vorsorgekasse als Arbeitslohn

 Beiträge eines österreichischen Arbeitgebers für seinen in Deutschland wohnhaften Arbeitnehmer an eine österreichische betriebliche Vorsorgekasse stellen Arbeitslohn dar. Die Beiträge können jedoch steuerfrei sein, wenn sie für eine dem deutschen Sozialversicherungssystem vergleichbare Zukunftssicherung geleistet werden.

Sachverhalt

Der Kläger hat im Jahr 2013 seinen Wohnsitz aus Österreich nach Deutschland verlegt. Seine Beschäftigung in Österreich hat er beibehalten. Der österreichische Arbeitgeber hatte – gemäß gesetzlicher Verpflichtung aufgrund des Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetzes der Republik Österreich (BMSVG) – für den Kläger Beiträge in Höhe von 1,53 % des Bruttoarbeitslohns in die betriebliche Vorsorgekasse (BV-Kasse) geleistet. Durch die Leistung dieser Beiträge erwarb der Kläger sogenannte Abfertigungsanwartschaften, die im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, geknüpft an verschiedene Bedingungen, in unterschiedlicher Weise zur Auszahlung gelangen können. Ein Verfall der geleisteten Beiträge ist nicht vorgesehen. Im Fall des Todes des Arbeitnehmers erhalten die nächsten Familienangehörigen die geleisteten Beiträge ausbezahlt. Das deutsche Wohnsitzfinanzamt des Klägers rechnete für die Streitjahre 2013 und 2014 dem vom Arbeitnehmer nunmehr als Grenzgänger bezogenen Bruttoarbeitslohn die von seinem österreichischen Arbeitgeber an die BV-Kasse geleisteten Beiträge hinzu.

Die Einsprüche des Klägers hiergegen blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG München) gab der daraufhin erhobenen Klage statt, indem es die Beiträge in die BV-Kasse zwar als Arbeitslohn qualifizierte, diese jedoch als steuerfreie Zukunftssicherungsleistungen i.S.v. § 3 Nr. 62 EStG einordnete.

Entscheidung

Unstreitig konnten die Einkünfte des Klägers aus seiner Beschäftigung in Österreich als nichtselbständige Einkünfte in Deutschland besteuert werden, da der Kläger Grenzgänger im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Österreich war.

Der BFH folgte auch der Auffassung des FG München, dass die Beiträge in die BV-Kasse Arbeitslohn darstellen: Der Kläger erhalte durch die von seinem Arbeitgeber geleisteten Beiträge an die BV-Kasse einen leistungsrechtlichen Vermögenszuwachs i.S. eines eigenen Anspruchs gegen einen Dritten, nämlich die BV-Kasse. Darin liege gegenwärtig zufließender Arbeitslohn. Es komme grundsätzlich nicht darauf an, ob der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher oder (tarif-)vertraglicher Verpflichtung leiste. Entscheidend sei, dass die Bezüge oder Vorteile durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind. Bei den vom Arbeitgeber geschuldeten Beiträgen an eine BV-Kasse handele es sich insbesondere nicht um einen allgemeinen, für Dritte bestimmten Finanzierungsbeitrag, mit dem der einzelne pflichtversicherte Arbeitnehmer weder einen individuellen Mitgliedschafts- oder beitragsrechtlichen Vorteil noch einen leistungsrechtlichen oder sonstigen Vermögenszuwachs erfährt. Vielmehr werde der Beitrag allein zugunsten des Arbeitnehmers bei der BV-Kasse eingezahlt, der dadurch eine sogenannte Abfertigungsanwartschaftsberechtigung erhält, die sich mit jeder Einzahlung erhöht. Dabei knüpft die Beitragspflicht des Arbeitgebers an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses an. Die Beiträge in die BV-Kasse würden somit für die Beschäftigung geleistet und stellten Arbeitslohn dar.

Fraglich war indes, ob diese Beiträge als Zukunftssicherungsleistung steuerfrei nach § 3 Nr. 62 EStG sein können. Zwar kann – entgegen der Rechtsauffassung des Finanzamts – nach Ansicht des BFH eine Arbeitslosenversicherung grundsätzlich eine Zukunftssicherungsleistung nach § 3 Nr. 62 EStG darstellen. Dem würde auch nicht § 2 Abs. Nr. 3 Satz 2 LStDV entgegenstehen, welcher als Zukunftssicherungsleistung Ausgaben zur Absicherung von Arbeitslosigkeit nicht aufführt. Hierbei handele es sich um eine untergesetzliche Norm, die den gesetzlichen Begriff der „Zukunftssicherungsleistung“ nicht selbst rechtsverbindlich definieren könne. Es sei unstreitig, dass zur Zukunftssicherung beispielsweise auch Ausgaben gehören, um den Begünstigten für den Fall der Arbeitslosigkeit abzusichern, weshalb auch die Beitragsanteile des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag, soweit sie die Arbeitslosenversicherung betreffen, zu den Zukunftssicherungsleistungen zählten. Da aber nicht nur eine sozialversicherungsrechtliche, sondern jede vergleichbare gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers, Ausgaben für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers zu leisten, zur Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 62 EStG Satz 1 führt, könne insoweit nach Wortlaut und Zweck des Gesetzes für die Bestimmung von Zukunftssicherungsleistungen nichts Anderes gelten. Demzufolge könnten auch aufgrund gesetzlicher Vorschriften zu erbringende Arbeitgeberleistungen zur Abdeckung oder Überbrückung der Folgen des Verlusts des Arbeitsplatzes unter die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 62 EStG fallen. Maßgeblich sei allein, ob der Arbeitgeber objektiv zur Beitragsleistung materiell gesetzlich verpflichtet ist.

Ob das FG München im Streitfall zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Beiträge in die BV-Kasse nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei sind, konnte der BFH aufgrund der Feststellungen des FG München nicht abschließend entscheiden, sondern hat die Sache an das FG zurückverwiesen. Dieses muss nun im zweiten Rechtsgang prüfen, ob es sich bei den Beiträgen eines österreichischen Arbeitgebers in eine BV-Kasse um eine dem deutschen Sozialversicherungssystem vergleichbare Zukunftssicherungsleistung handelt. Voraussetzung dafür ist, dass die österreichische BV-Kasse nach ihrer Struktur und den von ihr im Versorgungsfall zu erbringenden Leistungen auf der Grundlage einer rechtsvergleichenden Qualifizierung mit der Absicherung über die inländische Sozialversicherung vergleichbar ist. Nur bei einer solchen Vergleichbarkeit können die streitigen Beiträge nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei sein.

Anmerkung

Die Entscheidung des FG München bleibt abzuwarten. Interessant dürfte diese nicht nur für Beiträge in österreichische BV-Kassen sein, sondern auch im Hinblick auf Beiträge in ähnliche Versorgungswerke anderer Länder, wie z. B. Italien und Brasilien.

Betroffene Normen

Art. 15 DBA AUT, § 11 Abs. 1 EStG, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 3 Nr. 62 EStG, § 2 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 LStDV

Vorinstanz

Finanzgericht München, 13 K 2270/15, EFG 2017, S. 1247.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 13.02.2020, VI R 20/17.
 

 

Ihre Ansprechpartner

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croepke@deloitte.de
Tel.: 040 32080-4901

Daniele Sendler
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dsendler@deloitte.de
Tel.: 0211 8772 3863

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