China: Einkommensteuerreform – Auswirkungen auf Ausländer
Seit dem 01.01.2019 sind die neuen Besteuerungsregeln des Einkommensteuergesetzes und die entsprechende Implementierungsregelung in China anzuwenden. Es handelt sich um die tiefgreifendsten Veränderungen des Einkommensteuerrechts seit dessen Einführung. Die Änderungen führen zu einigen Anpassungen der Besteuerung von Ausländern und Chinesen. Es ist zu erwarten, dass sich in Zukunft die ESt-Prüfungen in China verstärken werden. Dies gilt insbesondere für große Unternehmen mit vielen Expats in China, da die Unternehmen – ähnlich wie die deutsche Lohnsteuer – einer Abzugspflicht unterliegen.
Hintergrund
Am 31.08.2018 wurde das Änderungsgesetz zum chinesischen Einkommensteuergesetz verabschiedet. Die Änderungen beziehen sich im Wesentlichen auf erweiterte Abzüge, angepasste Steuerklassen sowie eine geänderte Definition des Begriffs des "Steuerinländers".
Die neuen Regeln zu Steuerklassen und erweiterten Abzügen sind seit dem 01.10.2018 in Kraft. Die restlichen Neuregelungen – einschließlich der neuen Definition der Steuerinländer – sind ab dem 01.01.2019 anzuwenden.
Am 22.12.2018 wurde durch den Staatsrat der Volksrepublik China die finale Fassung zur neuen Implementierungsanweisung für das neue Einkommensteuergesetz (Staatsratsordnung Nr. 707) veröffentlicht.
Diese bis dato wichtigste Einkommensteuerreform der letzten 38 Jahre hat ebenfalls eine große Auswirkung auf die in China lebenden Ausländer. Der folgende Beitrag enthält einen Überblick über die wesentlichen Änderungen durch die Steuerreform, insbesondere aus Sicht der in China lebenden Ausländer (Deloitte China hat zur Steuerreform eine Videoserie bereitgestellt. Diese beinhaltet ebenfalls ein Video (Nr. 3) zur Vorstellung der wesentlichen Änderungen für Ausländer ).
Wesentliche Änderungen
Veränderung der Einkunftsarten, Steuersätze sowie der Steuerklassen
Die folgende Grafik illustriert die Veränderungen in Bezug auf Einkunftsarten, Steuersätze sowie der Steuerklassen des neuen Einkommensteuergesetzes.
Die Besteuerung findet für jede Einkunftsart jeweils getrennt statt. Laut dem neuen Gesetz, werden jetzt die vier Einkunftsarten „Löhne und Gehälter“, „Vergütung von Dienstleistungen“, „Urhebervergütung“ und „Lizenzeinnahmen“ unter dem Begriff „Umfassende Einkünfte“ gruppiert und werden dementsprechend auch zusammen besteuert. Wie die Grafik darstellt werden die drei „niedrigen“ Steuerklassen (3%, 10% und 20%) erweitert. Dies sollte sich vor allem in der sozialen Schicht mit niedrigen bis mittelhohen Einkünften vorteilhaft auswirken. Die drei höchsten Steuerklassen (30%, 35% und 45%) bleiben unverändert.
Neue Definition des Begriffes „Ansässigkeit“ – Einführung der „183-Tage-Regel“
Mit dem neuen Gesetz wurde der international weitverbreitete Ansatz – die 183-Tage-Regel – für die Bestimmung der Ansässigkeit eingeführt. Laut dem bisherigen Einkommensteuergesetz, galten Personen ohne dauerhaften Wohnsitz in China als „Steuerinländer“, wenn sie sich ein volles Jahr in China aufgehalten haben. Nun gilt eine Person, die keinen dauerhaften Wohnsitz in China hat, sich aber innerhalb eines Jahres für kumuliert 183 Tage oder mehr im Land aufhält, als „Steuerinländer“. Es wird auf den Zeitraum vom 01.01. bis 31.12. (vgl. Artikel 1 des chinesischen Einkommensteuergesetzes) abgestellt. Der Steuerinländer ist mit seinen weltweilten Einkünften in China steuerpflichtig.
Durch diese Änderungen werden die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Steuerinländers in China herabgesetzt.
Erweiterung der „Fünfjahresregel“ zu einer „Sechsjahresregel“
Gleichzeitig wird durch die Steuerreform die bislang gültige „Fünfjahresregel“ für die Steuerbefreiung ausländischer Einkünfte von Expatriates auf eine „Sechsjahresregel“ erweitert. Die neue „Sechsjahresregel“ betrifft Personen, die keinen dauerhaften Wohnsitz in China haben, sich jedoch länger als 183 Tage im betreffenden Kalenderjahr, aber insgesamt weniger als kumuliert 6 Jahre in China aufhalten. Bei diesen werden die aus dem Ausland stammenden und nicht von chinesischen Institutionen bzw. Personen ausbezahlten Einkünfte von der chinesischen Einkommensteuer befreit.
Falls sich eine Person, die sich mehr als 183 Tage in China aufhält und innerhalb der Sechsjahresfrist für mehr als 30 Tage am Stück binnen eines Steuerjahres aus China ausreist, erfolgt eine Unterbrechung der „Sechsjahresregel“. In diesem Fall beginnt die Berechnung der Sechsjahresperiode von Neuem. Dies gilt auch, wenn sich die Person weniger als 183 Tage innerhalb eines Steuerjahrs während der Sechsjahresperiode in China aufhält.
Die „Sechsjahresregel“ ist vorteilhafter als die alte „Fünfjahresregel“ und soll dazu dienen, den Anreiz für Ausländer in China zu arbeiten zu steigern. Hierbei muss jedoch der ausländische Steuerpflichtige berücksichtigen, dass die Inanspruchnahme der „Sechsjahresregel“ eine Vorabanmeldung bei der zuständigen Steuerbehörde voraussetzt.
Steuerliche Umstellung von bisher steuerfreien Gehaltsbestandteilen an Expats
Bis zum 31.12.2018 konnten Leistungen und Zuschüsse des Arbeitgebers für Wohngeld, Ausgaben für die Kinderausbildung, Sprachunterricht, Verpflegung, Reinigung, Heimaturlaub und Umzugskosten steuerfrei erfolgen.
Dies wird im Rahmen einer Übergangsregelung zum 01.01.2022 umgestellt. Ab dem 01.01.2022 sind Arbeitgeberleistungen für Wohngeld, Ausgaben für die Kinderausbildung sowie Sprachunterricht nicht mehr steuerfrei auszahlbar. Jedoch wurden durch die Gesetzesreform neue zusätzliche Sonderabzüge geschaffen (Die zusätzlichen Sonderabzüge beinhalten: Schul- und Hochschulbildung für Kinder, Weiterbildung mit Hochschulabschluss bzw. Berufsausbildung, Krankheitskosten für schwere Krankheiten, Gesundheitskosten bei schwerer Erkrankung, Hypothekenzinsen, Wohnungsmiete und Aufwendungen für die Unterstützung älterer Menschen, die über 60 Jahre alt sind.) („Itemized deduction for tax residence“), die zu einer Reduzierung des zu versteuernden Einkommens der Expats führen können.
Für den Zwischenzeitraum vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2021 besteht für Expats ein Wahlrecht entweder die Sonderabzüge oder die Steuerbefreiung für solche Leistungen in Anspruch zu nehmen, soweit die Steuerbegünstigungen für den Steuerpflichtigen nicht zweimal für die gleichen Leistungen gewährt werden. Die Wahl kann während eines Steuerjahres nicht geändert werden.
Vorschriften zur Bekämpfung von Steuerumgehung
Durch das neue Einkommensteuergesetz werden Regelungen zur Bekämpfung der Steuerumgehung eingeführt, die insbesondere Steuerpflichtige mit großem Vermögen betreffen können. Ähnlich wie zwischen Unternehmen müssen Transaktionen mit verbundenen Parteien nun dem Fremdvergleichsgrundsatz („Arm’s Length Principle“) entsprechen. Bei Abweichung vom Fremdvergleichsgrundsatz, ohne angemessenen Grund, ist die chinesische Steuerbehörde dazu berechtigt, Anpassungen durchzuführen, falls die Abweichung zur Minderung des zu versteuernden Einkommens in China geführt hat.
Des Weiteren sind Anpassungen auch durchzuführen, wenn (1) der Steuerpflichtige Kontrolle über eine Beteiligung in einer besonders niedrig besteuerten Steuerjurisdiktion ausübt sowie (2) die Beteiligung über keinen angemessenen Geschäftszweck verfügt und (3) deshalb keine oder nur geringe Gewinne ausschüttet (Hinzurechnungsbesteuerung in China).
Auf solche Steueranpassungen fallen Nachzahlungszinsen an, die mit dem Basiszinssatz eines RMB-Darlehens kalkuliert werden.
Die neue Implementierungsanweisung enthält bisher keine klaren Definitionen der wichtigen Begriffe wie z.B. „Fremdvergleichsgrundsatz“, „verbundene Parteien“, „Kontrolle“ sowie „angemessenen Geschäftszweck“. Daher wären genauere Implementierungsreglungen für die Vorschriften zum Bekämpfung der Steuerumgebungen in China zu erwarten.
Anmerkungen von Deloitte
Durch die umfassende Steuerreform in China wurden das bisherige Einkommensteuersystem maßgeblich verändert. Weitere Verwaltungsanweisungen zur Implementierung werden erwartet. In der Zwischenzeit sollten sich Arbeitgeber, die zum Abzug der Einkommensteuer verpflichtet sind, und Arbeitnehmer, sich mit den neuen Regeln auseinandersetzen, insbesondere für die folgenden Themenbereiche:
Arbeitgeber (Abzugsverpflichtete): Das Auslaufen der Steuerbefreiung bestimmter Gehaltskomponenten und die Einführung neuer Sonderabzugsmöglichkeiten führen zu erhöhten Compliance-Anforderungen an die Arbeitgeber. Arbeitgeber sollten die Reformen und insbesondere die Übergangsregelung zum Anlass nehmen, bestehende, China betreffende interne Vergütungs- und Zulagenvereinbarungen (Policies) zu überarbeiten und gegebenenfalls anzupassen.
Die folgende Grafik kann als Beispiel einer Planungsmatrix für Unternehmen mit Expats in China dienen mit dem Ziel die Anpassung auf das neue Einkommensteuerrecht zu erleichtern.
Expats in China: Die neue „Sechsjahresregel“ wirkt sich vorteilhafter auf die ausländischen Einkünfte der Expats aus. Ausländische Steuerpflichtige, die beabsichtigen ihr ausländisches Einkommen von der chinesischen Einkommensteuer zu befreien, müssen allerdings die Anmeldeanforderungen erfüllen.
Expats sollten die regulatorischen Entwicklungen nach dem Inkrafttreten der „Sechsjahresregel“ beobachten. Insbesondere, ob sich weitere Implementierungsanweisungen hinsichtlich der Anmeldeanforderungen und weitere in diesem Kontext relevante Aspekte ergeben, z.B. welches Jahr wird für Expats, die vor Beginn des Steuerjahres 2019 in China einreisten, als das erste Jahr der „Sechsjahresperiode“ angesehen.
Steuerpflichtige mit großem Vermögen: Die chinesischen Steuerbehörden haben nun eine gesetzliche Grundlage, Steueranpassungen bei Steuerumgehungsfällen durchzuführen. Da die neue Implementierungsanweisung derzeit keine konkreten Regelungen zu diesem Punkt enthält, ist es für die Steuerpflichtigen ratsam ihre derzeitigen Vermögensgestaltungen und Investitionsstrukturen hinsichtlich der steuerlichen Compliance zu prüfen und zukünftige gesetzliche Entwicklungen zu überwachen.