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02.03.2015
Unternehmensrecht

Elektromobilität: Weiterentwicklung des Rechtsrahmens durch Ladesäulenverordnung

Am 09.01.2015 hat das BMWi einen Entwurf für eine Ladesäulenverordnung vorgelegt. Dieser Entwurf ist neben dem Elektromobilitätsgesetz (EmoG) eine weitere Maßnahme zur Förderung der E-Mobilität und dient der Umsetzung der EU-Richtlinie zum Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFI-Richtlinie).

Die LSV wie auch die AFI-Richtlinie haben erhebliche Bedeutung für die Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland und der EU. Zum einen führt insbesondere die LSV zu einem nicht unerheblichen bürokratischem Aufwand und hohen Zusatzkosten bei der Einrichtung von Ladepunkten. Zum anderen lassen sich aus den beiden Rechtsakten erste Schlüsse auf das zukünftige Marktdesign für Elektromobilität ziehen. Insbesondere ist hier ein Spannungsfeld zwischen der regulierten Energiewirtschaft und der nicht regulierten Automobilindustrie zu erkennen.

Überblick – Regelungsinhalt der AFI-Richtlinie und der LSV

Die AFI-Richtlinie schafft einen einheitlichen europäischen Rahmen für den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe. Dies umfasst u. a. auch die Ladesäuleninfrastruktur für Elektromobile (Art. 1 AFI-Richtlinie). Nach Erwägungsgrund (30) der AFI-Richtlinie soll es „für die Errichtung und den Betrieb von Ladepunkten für Elektrofahrzeuge […] einen Wettbewerbsmarkt mit offenem Zugang für alle Parteien geben, die an der Markteinführung oder dem Betrieb von Aufladeinfrastruktur interessiert sind.“ Insoweit geht die AFI-Richtlinie grundsätzlich von einem nicht-regulierten Markt aus.

Die LSV regelt nach § 1 LSV (Anwendungsbereich) die technischen Mindestanforderungen an den sicheren und interoperablen Aufbau und Betrieb von öffentlich zugänglichen Ladepunkten für Elektromobile. Der tatsächliche Regelungsinhalt der Verordnung geht aber weit über die Formulierung bloßer technischer Mindestanforderungen hinaus: Den Betreibern von Ladepunkten werden Anzeige- und Nachweispflichten auferlegt und die BNetzA erhält entsprechende Prüfungs- und Untersagungskompetenzen. Der Anwendungsbereich von LSV und AFI-Richtlinie ist daher von wesentlicher Bedeutung.

Anwendungsbereich – öffentlich zugängliche Ladepunkte

Für die Betreiber von Ladeinfrastruktur ist die Frage, ob ein Ladepunkt als „öffentlich zugänglich“ zu qualifizieren ist, von zentraler Bedeutung: nur öffentlich zugängliche Ladepunkte unterfallen dem Anwendungsbereich der LSV. Öffentlich zugänglich ist ein Ladepunkt nach § 2 Nr. 9 LSV immer dann, wenn er sich entweder im öffentlichen Straßenraum oder auf privatem Grund befindet, wenn dieser von einem unbestimmten oder nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmbaren Personenkreis tatsächlich betreten und genutzt werden kann.

Die AFI-Richtlinie definiert die öffentliche Zugänglichkeit ähnlich und fordert aber zusätzlich, dass alle Nutzer aus der Union nicht-diskriminierend Zugang zu dem Ladepunkt haben müssen. In den Erwägungsgründen geht die Richtlinie sogar noch weiter: öffentlich zugängliche Ladepunkte können auch solche sein, die sich im Privateigentum befinden und über Ladekarten oder Entgeltzahlung öffentlich zugänglich sind, oder ein Ladepunkt oder eine Tankstelle einer Car-Sharing-Organisation, bei der Dritten der Zugang durch Mitgliedschaft ermöglicht wird. Sogar ein Ladepunkt, zu dem private Nutzer aufgrund einer Genehmigung oder Mitgliedschaft physischen Zugang haben können, soll als öffentlich zugänglicher Ladepunkt gelten.

Da nationale Verordnungen europarechtskonform auszulegen sind, ist die weite Definition der öffentlichen Zugänglichkeit in der AFI-Richtlinie bei der Auslegung der LSV zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist Rechtsunsicherheit mit Blick auf den Anwendungsbereich der LSV vorprogrammiert. Insbesondere bei Ladepunkten auf Privatgrundstücken, zu denen Dritte Zugang haben (z.B. auf einem Betriebsgelände, wo die Ladepunkte durch Mitarbeiter und/oder Kunden genutzt werden können), kann dies problematisch sein.

Technische Mindestanforderungen und Anzeige- und Nachweispflichten

Die öffentlich zugänglichen Ladepunkte müssen bestimmte technische Mindestanforderungen erfüllen, die gesondert für Normalladepunkte und Schnellladepunkte definiert sind. Hier werden insbesondere Vorgaben für die jeweiligen Stecker und Kupplungen gemacht. Die Anforderungen gelten sowohl für den Aufbau (Errichtung oder Umbau) als auch den Betrieb von Ladesäulen. Die AFI-Richtlinie legt die technischen Spezifikationen für Normal- und Schnellladepunkte (die denen der LSV entsprechen) in Anhang II fest.

Darüber hinaus müssen Betreiber von Ladesäulen der BNetzA schriftlich oder elektronisch und mit einer Frist von mindestens acht Wochen den geplanten Beginn des Aufbaus sowie unverzüglich die Außerbetriebnahme von Ladesäulen anzeigen. Des Weiteren muss die Einhaltung der technischen Anforderungen nachgewiesen werden.

Prüfungs- und Untersagungskompetenz der BNetzA

Die LSV stattet die BNetzA mit Prüfungs- und Untersagungskompetenzen aus. Danach ist die BNetzA befugt, die Einhaltung der technischen Anforderungen zu prüfen und ggf. den Betrieb von Ladesäulen zu untersagen, wenn diese Anforderungen nicht eingehalten oder deren Einhaltung nicht nachgewiesen werden. Angesichts der relativ geringen finanziellen Chancen, die der Betrieb von Ladeinfrastruktur heute bietet, führt die LSV damit zu unverhältnismäßig hohem bürokratischen Aufwand.

Zudem ist die Etablierung der BNetzA als Aufsichtsbehörde überraschend. Die BNetzA ist die Regulierungsbehörde für die leitungsgebundene Energieversorgung, nicht aber für die sonstige Versorgung mit Energie. Ladesäuleninfrastruktur ist nach dem EnWG nicht reguliert. Es stellt sich somit die Frage, ob die Bundesregierung durch die Schaffung zusätzlicher Kompetenzen für die BNetzA bereits eine Regulierung der Ladesäuleninfrastruktur vorbereiten will. Die Regulierung würde dazu führen, dass sich der Aufbau und Betrieb der Ladesäuleninfrastruktur nicht im freien Wettbewerb entwickeln würde, sondern nach staatlichen Plan-Vorgaben. Dies widerspricht jedoch dem Geiste der AFI-Richtlinie, die einen Wettbewerbsmarkt mit offenem Zugang für alle Parteien anstrebt.

Übergangsvorschriften

Es ist eine Übergangsregelung vorgesehen, wonach solche Ladepunkte, die bis drei Monaten nach Inkrafttreten der LSV in Betrieb genommen werden, von den technischen Anforderungen ausgenommen sind. Diese kurze Übergangsregelung kann insbesondere Projekte gefährden, die bereits geplant sind.

Darüber hinaus geht der deutsche Verordnungsgeber in zeitlicher Hinsicht deutlich weiter, als es zur Umsetzung der AFI-Richtlinie erforderlich wäre. Die AFI-Richtlinie ist grundsätzlich bis zum 18.11.2016 umzusetzen, wobei hinsichtlich der Einhaltung technischer Spezifikation durch Ladepunkten eine Übergangsfrist bis zum 18.11.2017 vorgesehen ist.

Bewertung des Entwurfs der LSV und Ausblick

Die EU strebt ausdrücklich die Entwicklung eines eigenständigen Marktes für den Aufbau und den Betrieb von Ladesäuleninfrastruktur an. Die Bundesregierung geht mit dem vorgelegten Entwurf der LSV in zeitlicher Hinsicht über die Richtlinie hinaus und verfolgt mit einer eher präventiv-regulatorischen Systematik offenbar einen anderen Ansatz.

In dem Entwurf der LSV könnte der Startpunkt für die Regulierung von Ladeinfrastruktur gesehen werden. Zwar werden vor allem die technischen Mindestanforderungen normiert, jedoch deutet die Zuständigkeit der BNetzA für die ex-ante Beaufsichtigung der Marktteilnehmer auf eine künftige Regulierung dieses Martes hin.

Die Entwicklung von Ladeinfrastrukturmodellen auf Basis des Marktes könnte damit im Keim erstickt werden. Dabei wäre eine Regulierung dieses noch nicht vorhandenen Marktes nicht einmal erforderlich. Eine energierechtliche Regulierung ist schon deshalb nicht erforderlich, weil es sich bei Ladeinfrastruktur eben nicht um klassische leitungsgebundene Energieversorgung i.S.d. EnWG handelt. Wenn die Bundesregierung – wie die EU in der AFI-Richtlinie – sicherstellen will, dass die Ladesäuleninfrastruktur zum einen bestimmte „ordre public“ Funktionen erfüllen soll (nicht-diskriminierender Zugang zu angemessenen, wettbewerblichen Preisen) und auch nicht-diskriminierend in die vorhandene Netzinfrastruktur eingebunden werden soll, ist zudem der bestehende Rechtsrahmen dafür völlig ausreichend. Die nicht-diskriminierende Einbindung in das Netz stellt das EnWG sicher. Die Ausnutzung monopolähnlicher Marktmacht durch die Ladesäulenbetreiber, die z.B. zu unangemessenen Preisen führen könnte, kann durch das GWB verhindert werden. Insoweit können diese „Stromtankstellen“ mit Mineralölkraftstoff-Tankstellen verglichen werden.

Ihr Ansprechpartner

Dr. Florian-Alexander Wesche
Partner

FWesche@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-4068

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