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22.05.2015
Unternehmensrecht

BAG: Keine dauerhafte / unbefristete Beschäftigung von Leiharbeitnehmern

Das Bundesarbeitsgericht stellt mit der Entscheidung vom 30. September 2014 (1 ABR 79/12) klar, dass der Betriebsrat einer dauerhaften / unbefristeten Beschäftigung von Leiharbeitnehmern einen Riegel vorschieben kann. Eine wünschenswerte Klarstellung zum Zeitraum des vorübergehenden Einsatzes nimmt das Bundesarbeitsgericht dagegen nicht vor.

Sachverhalt

Der Arbeitgeber zeigte dem Betriebsrat nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), § 14 Absatz 3 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) die Einstellung einer neuen Leiharbeitnehmerin an. Im dazugehörigen Formular gab der Arbeitgeber an, der Einsatz der Leiharbeitnehmerin erfolge „unbefristet“. Der Betriebsrat widersprach der Einstellung mit dem Argument, Leiharbeiternehmer dürften nicht auf Dauer eingestellt werden, sondern nach dem Wortlaut des § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG nur vorübergehend. Die unbefristete Einstellung verstoße damit gegen ein Gesetz und nach § 99 Absatz 2 Nr. 1 BetrVG sei daher die Zustimmung zur Einstellung zu verweigern. Mit dem Rechtsstreit verfolgte der Arbeitgeber das Ziel, die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats durch Beschluss der Arbeitsgerichte ersetzen zu lassen und scheiterte sowohl vor dem Landesarbeitsgericht als auch vor dem Bundesarbeitsgericht. Die unbefristete Einstellung der Leiharbeitnehmerin war demnach unzulässig.

Entscheidung

Für die rechtliche Bewertung des Sachverhalts kam es auf die Fragen an, ob (a) die dauerhafte Einstellung eines Leiharbeitnehmers gegen § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG verstößt, welcher regelt, dass die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher nur vorübergehen erfolgt, und ob (b) diese Norm ein Verbotsgesetz im Sinne von § 99 Absatz 2 Nr. 1 BetrVG darstellt.

(a) Das Bundesarbeitsgericht führt denkbar knapp aus, dass eine „unbefristete“ Einstellung einer Leiharbeitnehmerin anstatt einer Stammarbeitskraft jedenfalls nicht mehr nur vorübergehend erfolgt. Dieses Ergebnis lag auf der Hand: Was zeitlich unbefristet ist, kann nicht mehr nur vorübergehend sein. Leider versäumt das Bundesarbeitsgericht die Möglichkeit, mit einem Nebensatz für Klarheit zu sorgen, welchen Zeitrahmen es bei § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG womöglich als „vorübergehend“ akzeptieren würde. Auch eine Differenzierung dahingehend, ob es bei der Bewertung des Merkmals „vorübergehend“ auf die zu besetzenden Stelle (eines Stammarbeitnehmers?) oder auf die Dauer des Einsatzes der Leiharbeitskraft abzustellen sei, erfolgt nicht.

(b)  Darüber hinaus stelle nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG eine Verbotsnorm im Sinne von § 99 Absatz 2 Nr. 1 BetrVG dar. Zwar folge dies nicht zwingend aus dem Wortlaut, weil das AÜG an diesem Punkt keine eigene Rechtsfolge vorsehe, sondern auch als bloßer Programmsatz verstanden werden könnte. Doch aus dem Sinn und Zweck des § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG ergebe sich der Charakter eines Verbotsgesetzes. Die dem AÜG zugrunde liegende EU-Richtlinie ziele darauf ab, die Möglichkeit zu schaffen, einen vorübergehenden Beschäftigungsbedarf abzudecken und daneben auch (Langzeit-)Arbeitslosen den Eintritt auf den ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern. Es sei hingegen nicht Zweck der Richtlinie, einen dauerhaften Einsatz von Leiharbeitnehmern zu ermöglich. Diese Richtlinie habe der deutsche Gesetzgeber „eins zu eins“ umsetzen wollen, sodass obige Erwägungen auch für das AÜG greifen würden.

Dieser Zweck könne nur erreicht werden, wenn bei Verstößen gegen das AÜG dem Betriebsrat die Möglichkeit gegeben wird, eine gesetzeswidrige Einstellung durch eine versagte Zustimmung wirksam zu verhindern. Ein dauerhafter Einsatz war damit unwirksam und konnte durch den Betriebsrat verhindert werden.

Betroffene Normen

§ 99 BetrVG, §§ 1, 14 AÜG

Anmerkung

Die Entscheidung betrifft zunächst unmittelbar nur Betriebe, in denen ein Betriebsrat besteht und in denen mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Nur in diesen kommt es überhaupt zu der Frage, ob § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG ein Verbotsgesetz darstellt, bei dessen Verletzung der Einstellung nach § 99 Absatz 2 Nr. 1 BetrVG widersprochen werden kann, da nur dann bei Einstellungen die Zustimmung durch den Betriebsrat erforderlich ist. Für diese Arbeitgeber empfiehlt sich die Aufnahme einer zeitlichen Beschränkung in der Einstellungsanzeige gegenüber dem Betriebsrat. Zwar existiert noch immer keine höchstrichterliche Rechtsprechung, was die Höchstgrenze im Rahmen von § 1 AÜG darstellt, doch jedenfalls ist dem Arbeitgeber nicht zu empfehlen, die Grenzen des Möglichen auszureizen. Je nach Art des Betriebes und jeweiliger Stelle ist eine Beschränkung erforderlich. Diese ist auch durch eine Beschreibung äußerer Umständen möglich, z.B. bis zur Abarbeitung des vorübergehend gesteigerten Bedarfs, einer Krankheitsvertretung oder ähnlichem. Auch eine Angabe eines konkreten Zeitraums ist möglich (der aktuelle Koalitionsvertrag sieht beispielsweise eine gesetzliche Festschreibung der Höchstfrist auf 18 Monate vor, die hingegen bisher noch nicht umgesetzt ist).

Für betriebsratslose Betriebe hat die Entscheidung keine unmittelbaren Konsequenzen. Es ist kein Betriebsrat vorhanden, der einer Einstellung die Zustimmung versagen könnte. Auch falls zukünftig ein Betriebsrat gegründet werden sollte, hat dies für die bereits getätigten Einstellungen von Leiharbeitnehmern keine Auswirkungen.

Allerdings ist eine andere Folge einer nicht nur vorübergehenden Einstellung eines Leiharbeitnehmers denkbar: Wenn die Einstellungen unter Verstoß gegen § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG erfolgen, kann gegebenenfalls dem Verleiher neben einem Bußgeld auch der Widerruf der Verleihgenehmigung durch die Aufsichtsbehörden drohen. Auch insofern wird der Widerruf für den Arbeitgeber als Entleiher erst problematisch, falls ein Widerruf der Genehmigung erfolgt und dennoch weiterhin Leiharbeitnehmer dieses Verleihers eingesetzt werden. Dann gehen die Arbeitsverhältnisse gemäß § 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG auf den Entleiher über und der Leiharbeitnehmer wird zum Arbeitnehmer des Entleihers.

Alleine ein Verstoß des Entleihers gegen das AÜG führt nach herrschender Meinung jedoch nicht zu einer Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Arbeitgeber, doch ist insoweit die Entwicklung der Rechtsprechung zu beachten, die teilweise bei einem Einsatz von (Schein-) Werkverträgen einen Arbeitsvertrag mit dem Auftraggeber annahm, sofern beide Parteien zur Umgehung der arbeitnehmerschützenden Normen zusammenarbeiten (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.12.2014 - Az. 4 Sa 41/14). Insofern sieht zwar § 10 AÜG diese Folge nur bei Fehlen der Genehmigung vor, doch wird von einer Literaturansicht diese Folge über eine extensive Auslegung auch für rechtswidrige Leiharbeitseinsätze gefordert. Das LAG Baden-Württemberg folgt dieser Ansicht für Scheinwerkverträge. Dass diese Auslegung auch für – rechtswidrige – Leiharbeitseinsätze trägt und nicht nur für Scheinwerkverträge gilt, ist stark zu bezweifeln, zumal das Bundesarbeitsgericht der analogen Anwendung von § 10 AÜG bereits entgegengetreten ist (BAG, Urteil vom 10.12.2013 – 9 AZR 51/13).

Vorinstanzen

Arbeitsgericht Braunschweig, Beschluss vom 26.10.2011 – 7 BV 12/11
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschuss vom 19.09.2012 – 17 TaBV 124/11

Fundstelle

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 30.09.2014 – BAG 1 ABR 79/12

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Heike Humpert
Senior Manager

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