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24.03.2014
Unternehmensrecht

BAG: Beweisverwertungsverbot bei heimlicher Schrankkontrolle

Arbeitnehmer müssen darauf vertrauen können, dass ihnen zugeordnete persönliche Schränke nicht ohne ihr Einverständnis geöffnet und durchsucht werden. Geschieht dies trotzdem, so kann der prozessualen Verwertung von Beweismitteln, die aus einer in Abwesenheit und ohne Einwilligung des Arbeitnehmers durchgeführten Schrankkontrolle erlangt wurden, schon die Heimlichkeit der Durchsuchung entgegenstehen.

Sachverhalt

Die Parteien haben über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung gestritten.

Der Kläger arbeitete in einem so genannten Cash& Carry Markt als Verkaufsmitarbeiter in der Getränkeabteilung. Wegen eines Diebstahlverdachts öffnete der Geschäftsleiter der Beklagten im Beisein eines Betriebsratsmitglieds während der Arbeitszeit des Klägers den verschlossenen Spind des Klägers und fand dort in einer Jacke des Klägers eingewickelt aus dem Markt der Beklagten entwendete Damenunterwäsche, von der die Etiketten entfernt waren, die aber nicht bezahlt worden war. Der Geschäftsleiter hatte daraufhin mit zwei Betriebsratsmitgliedern verabredet, abzuwarten, ob der Kläger die Ware bis zu seinem Dienstschluss noch bezahle, und nach Ende der Schicht im Beisein von zwei Betriebsratsmitgliedern eine Taschenkontrolle beim Kläger durchzuführen. Dem Kläger gelang es jedoch, den Markt unkontrolliert zu verlassen. Die Unterwäsche hatte er nicht bezahlt. Eine nochmalige Durchsuchung des Spinds noch am selben Abend ergab, dass sich die Unterwäsche dort nicht mehr befand. Die Beklagte erstattete deshalb unmittelbar nach Ladenschluss Strafanzeige gegen den Kläger. Doch auch die von der Polizei daraufhin unmittelbar beim Kläger mit dessen Einverständnis durchgeführte Wohnungsdurchsuchung blieb ergebnislos. Die Beklagte gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Der Kläger machte hiervon jedoch keinen Gebrauch. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Zustimmung des Betriebsrats das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

Der Kläger hat im Kündigungsschutzverfahren vorgetragen, keine Unterwäsche gestohlen und diese nicht in seinem Spind aufbewahrt zu haben. Er hat sich darauf berufen, dass die Ergebnisse der Spinddurchsuchungen in dem Verfahren nicht verwendet werden dürften, weil die heimlichen Durchsuchungen sein Persönlichkeitsecht verletzten. Die Beklagte hat vorgetragen, die heimliche Kontrolle des Spinds sei die einzig effektive Möglichkeit gewesen, den Sachverhalt aufzuklären.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Sache zur endgültigen Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück verwiesen. Es hat aber zur rechtlichen Zulässigkeit der Schrankkontrolle und zur prozessualen Verwertbarkeit der dabei gewonnenen Erkenntnisse Stellung genommen.

Grundsätzlich sind zu Lasten des Arbeitgebers begangene Vermögensdelikte unabhängig vom Entstehen eines Schadens und dessen Höhe dazu geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Auch der Verdacht einer solchen Tat kann einen wichtigen Grund bilden, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn infolge der Verdachtsmomente das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört ist. Der Verdacht muss dabei dringend sein und auf konkrete, vom Arbeitgeber darzulegende und im Bestreitensfall zu beweisende Tatschen gestützt werden. Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternehmen und auch dem betroffenen Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Dem Arbeitgeber obliegt die Beweislast für die Straftat oder die Grundlagen für den das Vertrauen zerstörenden Verdacht.

Im vorliegenden Fall kam das BAG zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten vorgebrachten Beweismittel nicht geeignet waren, die Kündigung zu tragen. Die gerichtliche Verwertung des Ergebnisses der Spindkontrolle sei ausgeschlossen, weil die Kenntnis vom Inhalt des Spinds auf einem unverhältnismäßigen und damit rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrechts des Klägers beruhe. Auch die Personen, die die Schrankkontrolle durchgeführt hatten, durften nicht als Zeugen vernommen werden, weil sonst ein erneuter oder zumindest fortgesetzter Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers vorliege. Das BAG begründet dies wie folgt:

Körperliche und sonstige Untersuchungen wie die Kontrolle des persönlichen Schranks des Arbeitnehmers, mitgeführte Taschen oder von Kleidungsstücken stellen grundsätzlich einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar. Solche Eingriffe können nur aufgrund überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Es ist in Fällen wie dem vorliegenden deshalb eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass – auch wenn dem Arbeitgeber in bestimmten Grenzen ein Kontrollrecht einzuräumen ist- Arbeitnehmer grundsätzlich darauf vertrauen können müssen, dass ihnen zugeordnete, abschließbare Schränke nicht ohne ihre Einwilligung geöffnet und dort eingebrachte Sachen nicht ohne ihr Einverständnis durchsucht werden. Geschieht dies dennoch, liegt regelmäßig ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers vor, der nur durch zwingende Gründe gerechtfertigt werden kann. Falls konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat bestehen und der Arbeitnehmer zum Kreis der konkret Verdächtigen gehört, kann er verpflichtet sein, Aufklärungsmaßnahmen zu dulden. Eine heimliche Schrankkontrolle ist in diesem Fall aber nur zulässig, wenn es für den Arbeitgeber keine ebenso effektiven, den Arbeitnehmer weniger belastenden Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts gibt.

Ein milderes Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts wäre im vorliegenden Fall nach dem BAG eine in Anwesenheit des Arbeitnehmers durchgeführte Schrankkontrolle gewesen. Die heimliche Spindkontrolle sei auch deshalb unverhältnismäßig gewesen, weil sie nur der Vorbereitung einer geplanten Taschenkontrolle gedient habe. Der Arbeitgeber hätte ebenso gut beim Kläger eine Personen- oder Taschenkontrolle beim Verlassen des Marktes und gegebenenfalls eine anschließende offene Schrankkontrolle durchführen können. Deshalb sei das Vorgehen der Beklagten unrechtmäßig gewesen. Auch die Tatsache, dass das Vorgehen mit zwei Betriebsratsmitgliedern abgestimmt war und dass ein Betriebsratsmitglied beim Öffnen des Schrankes anwesend war, führt nach dem BAG zu keinem anderen Ergebnis. Im Gegenteil- die Privatsphäre des Arbeitnehmers sei umso stärker verletzt worden, je mehr Personen ohne sein Einverständnis an dem Eingriff beteiligt waren.

Anmerkungen

Besteht gegen einen Arbeitnehmer der Verdacht einer Straftat ist zu prüfen, durch welche Maßnahmen der Sachverhalt aufgeklärt werden soll. Es ist dabei stets darauf zu achten, möglichst wenig in die Rechte des Arbeitnehmers einzugreifen, so lange mit den unter dieser Prämisse gewählten Mitteln eine Aufklärung möglich ist. Auch die Beteiligung des Betriebsrats an den Aufklärungsmaßnahmen hilft nicht, einen Rechtsverstoß zu vermeiden, sondern kann dazu führen, dass die Rechtsgutsverletzung noch verstärkt wird.

Es ist im Einzelfall also abzuwägen, welches Risiko größer- im Verfahren zu unterliegen, weil man nicht genügend beweisbare, objektive Anhaltspunkte zur Begründung der Kündigung hat, oder im Verfahren zu unterliegen, weil die die Kündigung objektiv eigentlich tragenden Kündigungsgründe nicht hinreichend nachweisbar sind, weil die maßgeblichen Beweismittel rechtswidrig erlangt wurdenund deshalb nicht verwertet werden dürfen. Eine für Arbeitgeber extrem unbefriedigende Situation, da im Einzelfall schwer vorhersehbar ist, wo ein Gericht im Streitfall die Grenzen für die Zulässigkeit für die Erhebung der Beweismittel setzt.

Betroffene Normen

Art. 2 Abs. 1 GG, § 32 BDSG, Art.8 Abs. EMRK, § 626 BGB

Vorinstanz

LAG Hessen, Urteil vom 18.04.2012, 18 Sa 1474/11

Fundstelle

BAG, Urteil vom 20.06.2013,2 AZR 546/12 , NZA 2014, S. 143ff.

Ihre Ansprechpartner

Klaus-Dieter Tammer

kdtammer@raupach.de
Tel.:

Dr. Theresa Kohl

tkohl@raupach.de
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