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11.09.2015
Unternehmensrecht

BAG: Betriebsrentenanpassung in der durch Geschäftsveräußerung entstandenen „Rentnergesellschaft“

Überraschender Weise hat das Bundesarbeitsgericht 2014 entschieden, dass die Anforderungen an eine finanzielle Ausstattung einer sogenannten „Rentnergesellschaft“ dann nicht gelten, wenn die Rentnergesellschaft nicht durch Übertragung der Pensionsverbindlichkeiten, sondern durch Übertragung des Geschäftsbetriebs unter Verbleib der Pensionsverbindlichkeiten entsteht.

Mit seinem Urteil vom 11. März 2008 (Az.: 3 AZR 358/06) hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass eine durch Ausgliederung der Versorgungsverbindlichkeiten entstehende „Rentner-GmbH” ausreichend mit finanziellen Mitteln ausgestattet sein muss, um die auf sie ausgegliederten Versorgungsverbindlichkeiten erfüllen zu können. Die finanzielle Ausstattung muss nach den Ausführungen des BAG neben der Auszahlung der laufenden Renten auch die Vornahme von Anpassungen nach § 16 BetrAVG ermöglichen. Eine ungenügende Ausstattung kann zu Schadensersatzansprüchen der Rentner führen. Nun hat das BAG in seinem Urteil vom 17. Juni 2014 (Az.: 3 AZR 298/13, DStR 2014, S. 2350) überraschender Weise entschieden, dass diese Anforderungen an die Kapitalausstattung nicht gelten, wenn die Rentnergesellschaft nicht durch Übertragung der Versorgungsverbindlichkeiten selbst, sondern („umgekehrt“) durch Übertragung des gesamten Geschäftsbetriebs auf eine andere Konzerngesellschaft nach § 613 a BGB geschaffen wird, wodurch beim übertragenden Unternehmen lediglich die Versorgungsverpflichtungen gegenüber den Rentnern zurückbleiben. In diesem Fall könne sich der Veräußerer nach dem Urteil des BAG auch dann auf eine für eine Betriebsrentenanpassung nach § 16 Absatz 1 und Absatz 2 BetrAVG nicht ausreichende Leistungsfähigkeit berufen, wenn die Rentnergesellschaft nicht so ausgestattet wurde, dass sie auch zu den gesetzlich vorgesehenen Anpassungen in der Lage ist.

Sachverhalt

Der Kläger klagte auf Zahlung einer nach § 16 BetrAVG angepassten Betriebsrente, da ihm die Anpassung seiner Betriebsrente unter Verweis auf die mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit seines ehemaligen Arbeitgebers, einer Gesellschaft eines Versicherungskonzerns, verwehrt worden war. Nach dem Renteneintritt des Klägers war eine Umstrukturierung innerhalb des Konzerns erfolgt, in deren Rahmen die Gesellschaft, bei der er zuletzt beschäftigt gewesen war, ihren Geschäftsbereich mit den dazugehörigen Vermögensgegenständen auf mehrere Nachfolgegesellschaften übertrug. Die Arbeitsverhältnisse der aktiven Arbeitnehmer gingen nach § 613a BGB auf diese Gesellschaften über und lediglich die Pensionsverbindlichkeiten gegenüber den Betriebsrentnern und mit unverfallbaren Anwartschaften ausgeschiedenen Mitarbeitern verblieben bei der Gesellschaft, die fortan keine eigenen Mitarbeiter mehr beschäftigte. Ihre geschäftlichen Aktivitäten beschränkten sich in der Folge auf die Verwaltung des eigenen Vermögens.

Entscheidung

Das BAG stellt zunächst fest, dass grundsätzlich auch sogenannte Rentnergesellschaften eine Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 Absatz 1 und Absatz 2 BetrAVG zu prüfen haben, wobei auch diese nicht verpflichtet sind, die Kosten für die Betriebsrentenanpassung aus ihrer Vermögenssubstanz aufzubringen. Auch ihnen sei eine angemessene Eigenkapitalverzinsung zuzubilligen. Allerdings sei bei Rentner- und Abwicklungsgesellschaften eine Eigenkapitalverzinsung angemessen, die der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen entspricht. Für einen Zuschlag von 2 %, wie er bei werbenden Unternehmen vorzunehmen ist, deren in das Unternehmen investiertes Eigenkapital einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist, bestehe kein Anlass.

Ein Versorgungsschuldner, der sein operatives Geschäft im Wege des Betriebsübergangs auf einen Erwerber übertrage (und so zu einer Rentnergesellschaft werde) und der sich später auf eine nicht ausreichende Leistungsfähigkeit berufe (weil in der Rentnergesellschaft nicht so viel Vermögen belassen wurde, dass sie auch zu den gesetzlich vorgesehenen Betriebsrentenanpassungen nach § 16 Absatz 1 und Absatz 2 BetrAVG in der Lage ist), handelt allerdings nach Ansicht des BAG nicht per se rechtsmissbräuchlich.

Werde der Versorgungsschuldner durch Veräußerung seines operativen Geschäfts an einen Erwerber im Wege eines Betriebsübergangs zu einer Rentnergesellschaft und ist die Rentnergesellschaft nicht so ausgestattet worden, dass sie auch zu den in § 16 Absatz 1 und Absatz 2 BetrAVG vorgesehenen Anpassungen in der Lage ist, können die Betriebsrentner eine Betriebsrentenanpassung grundsätzlich nicht im Wege des Schadensersatzes verlangen. Den versorgungspflichtigen Arbeitgeber treffe in diesem Fall keine Verpflichtung, die Rentnergesellschaft so auszustatten, dass sie nicht nur zur Zahlung der laufenden Betriebsrenten, sondern auch zu den gesetzlich vorgesehenen Anpassungen imstande ist.

Eine solche Verpflichtung folge auch nicht aus § 613 a BGB. Die Grundsätze, die das BAG zur Ausstattung einer Rentnergesellschaft entwickelt hat, auf welche die Versorgungsverbindlichkeiten im Wege der Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz übertragen wurden, seien auf eine Rentnergesellschaft, die durch Übertragung ihres operativen Geschäfts im Wege des Betriebsübergangs auf einen Betriebserwerber entsteht, nicht anwendbar. Diese Ausstattungsgrundsätze beruhen auf dem mit der Ausgliederung der Versorgungsverbindlichkeiten verbundenen Wechsel in der Person des Versorgungsschuldners. Nach der Übertragung habe die Rentnergesellschaft als neuer Versorgungsschuldner nicht nur die laufenden Versorgungsleistungen zu erbringen, sondern sei zudem zur Anpassungsprüfung nach § 16 Absatz 1 und Absatz 2 BetrAVG verpflichtet und dürfe eine Anpassung ablehnen, wenn ihre eigene wirtschaftliche Lage eine solche nicht zulasse. Damit bestehe die Gefahr, dass die Möglichkeiten des Umwandlungsgesetzes dazu genutzt werden, die Versorgungsverpflichtungen auf eine nicht ausreichend ausgestattete Gesellschaft zu übertragen und dadurch die schutzwürdigen Interessen der Versorgungsberechtigten zu beeinträchtigen. Eine vergleichbare Gefahr besteht hingegen nicht, wenn der frühere Arbeitgeber und – spätere – Versorgungsschuldner sein operatives Geschäft im Wege des Betriebsübergangs an einen Betriebserwerber veräußere, da die Versorgungsverpflichtungen bei dem ursprünglichen Versorgungsschuldner verbleiben.

Praxishinweis

Das BAG schafft mit der Entscheidung Klarheit in der Frage, ob die gleichen Maßstäbe für die Ausstattung einer durch Übertragung des operativen Betriebs entstehenden Rentnergesellschaft gelten wie die für eine durch eine Ausgliederung entstehende Rentnergesellschaft geltenden und verneint diese. Insofern dürfte in Zukunft bei Überlegungen im Hinblick auf die Separierung von Versorgungsverbindlichkeiten im Konzern in Erwägung gezogen werden, nicht die Pensionsverbindlichkeiten selbst, sondern das operative Geschäft auf eine andere Konzerngesellschaft zu übertragen. Dabei dürfte es unerheblich sein, ob dies im Wege der Einzelrechtsübertragung oder im Wege der Abspaltung/Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz erfolgt, da das BAG im Hinblick auf seine abweichende Beurteilung hinsichtlich der Ausstattungspflichten maßgeblich darauf abstellt, dass es nicht zu einem Wechsel des Versorgungsschuldners kommt. Dann dürfte es wohl ausreichen, wenn in der Gesellschaft genügend finanzielle Mittel verbleiben, um die Pensionsverbindlichkeiten zu erfüllen, ohne jedoch diese auch noch nach § 16 Absatz 1 und Absatz 2 BetrAVG anpassen zu können. Es bleibt naturgemäß abzuwarten, ob das BAG in Fällen von offensichtlichem Missbrauch dieser Gestaltungsalternative seine Rechtsprechung revidieren wird.

Ihr Ansprechpartner

Heike Humpert
Senior Manager

hhumpert@deloitte.de
Tel.: 040 3785-380

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