BAG: Betriebsrat kann die Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses nur über Arbeitsschutzbehörde initiieren
Versäumt ein Arbeitgeber mit mehr als 20 Beschäftigten es, einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden, kann der Betriebsrat die Bildung dieses Ausschusses nicht erzwingen. Er kann sich aber an die zuständige Arbeitsschutzbehörde wenden, die die Errichtung des Ausschusses unter Androhung einer Geldbuße anordnen kann.
Sachverhalt
Im entschiedenen Fall ging es um ein Einzelhandelsunternehmen mit Sitz in der Hansestadt Hamburg und Filialen im gesamten Bundesgebiet. Das Unternehmen hat auf Unternehmensebene einen Arbeitsschutzausschuss errichtet, in den vom Gesamtbetriebsrat Mitglieder entsandt werden. U.a. existiert eine Filiale in Stuttgart mit 65 Arbeitnehmern, die wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Hauptbetrieb unstreitig als selbständiger Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gilt. Der dort errichtete Betriebsrat hielt die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Arbeitsschutzausschusses für unzureichend und hatte von der Beklagten die Bildung eines eigenen, für die Stuttgarter Filiale zuständigen Arbeitsschutzausschuss gefordert. Dabei stützte er sich auf den Wortlaut des § 11 Satz 1 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG), wonach Bezugspunkt für den Arbeitsschutzausschuss der Betrieb und nicht das Unternehmen sei. Er stellte sich auf den Standpunkt, er könne die Errichtung des Arbeitsschutzausschusses gegenüber der Beklagten erzwingen, um sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Absatz 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu wahren.
Der Aufforderung nach Errichtung eines zusätzlichen Arbeitsschutzausschusses kam die Beklagte nicht nach. Die Vorinstanzen wiesen die Klage jeweils ab. Der Betriebsrat legte daraufhin Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein.
Entscheidung
Auch die Rechtsbeschwerde blieb erfolglos. Das BAG hat entschieden, dass dem Betriebsrat kein Initiativrecht zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses nach § 11 Satz 1 ASiG zusteht.
Nach Auffassung der Bundesrichter verpflichtet § 11 Satz 1 ASiG Arbeitgeber zwar, in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss zu etablieren. Die Norm regelt aber keinen Anspruch zugunsten des Betriebsrats auf Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses. Vielmehr handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers, bei der ihm kein Handlungsspielraum zusteht. Das schließt nach dem Eingangshalbsatz von § 87 Absatz 1 BetrVG auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in Angelegenheiten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes aus. Der entsprechende Eingangshalbsatz lautet: „soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht“ hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei „Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder Unfallverhütungsvorschriften.“
Da der Betriebsrat keinen Anspruch auf die Einrichtung eines Arbeitsschutzausschusses hat und nur hierauf das Begehren gerichtet war, musste das BAG nicht entscheiden, ob die Beklagte ihrer Verpflichtung aus § 11 Satz 1 ASiG nachgekommen war. Die eigentlich interessante Frage, ob ein Arbeitgeber verpflichtet ist, in jedem selbständigen Betrieb einen eigenen Arbeitsausschuss einzurichten, oder ob es ausreichend ist, im Hauptbetrieb einen einzurichten, in dem der Gesamtbetriebsrat beteiligt wird, blieb insoweit ungeklärt.
Betroffene Normen
§§ 87 Absatz 1, 89 Absatz 1 Satz 2 BetrVG, §§ 11 Satz 1, 12, 20 ASiG
Anmerkungen
Arbeitgeber sind gemäß § 11 Satz 1 ASiG dazu verpflichtet, einen Arbeitsschutzausschuss einzurichten, wenn „im Betrieb“ mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftig werden. Dieser Verpflichtung sollten Arbeitgeber auch nachkommen. Der Betriebsrat kann die Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses zwar nicht selbst initiieren, er kann sich allerdings an die zuständigen Arbeitsschutzbehörde wenden, § 89 Absatz 1 Satz 2BetrVG. Diese ist befugt, die Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses anzuordnen, § 12 ASiG. Eine Weigerung der Errichtung kann mit einem Bußgeld von bis zu EUR 25.000,00 sanktioniert werden.
Es empfiehlt sich unseres Erachtens für selbständige Betriebe jeweils einen eigenen Arbeitsschutzausschuss einzurichten. Zwar wurde das bisher nicht höchstrichterlich entschieden. Da § 11 Satz 1 ASiG allerdings für die Verpflichtung ausdrücklich an den Begriff des „Betriebes“ und nicht an den des „Unternehmens“ anknüpft, ist davon auszugehen, dass die Verpflichtung für jeden Betrieb besteht. Ein lediglich auf Unternehmensebene gegründeter Arbeitsschutzausschuss dürfte im Streitfalle nicht genügen.
Vorinstanzen
LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.08.2012, 3 TaBV 1/12
Arbeitsgericht Stuttgart, Beschluss vom 23.11.2011, 14 BV 103/11
Fundstelle
BAG, Beschluss vom 15.04.2014, 1 ABR 82/12