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03.11.2015
Transfer Pricing

Brasilien: Im Spannungsfeld zwischen Fremdvergleichsgrundsatz und Verrechnungspreisregularien

 Für viele Unternehmen stellen Verrechnungspreissachverhalte in Brasilien eine dauerhafte Herausforderung dar. Der nachfolgende Artikel gibt einen Überblick über die jüngsten Änderungen der Verrechnungspreisregularien in Brasilien. Neben der Darstellung des brasilianischen Verrechnungspreisansatzes werden insbesondere auch die Unterschiede zum OECD-Ansatz dargestellt.

Einleitung

Die brasilianischen Verrechnungspreisregelungen sind nach wie vor eine erhebliche steuerliche Herausforderung für deutsche Unternehmen. Die brasilianische Regierung nimmt zwar für sich in Anspruch, dass die Regelungen dem OECD-Standard entsprechen, in der Praxis führt die Methodik allerdings häufig zu Preisen, die nur schwer in Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz zu bringen sind. Hinzu kommen ausufernde Quellensteuern auf Dienstleistungsentgelte und Begrenzungen bei der Zahlung von Lizenzen an ausländische Lizenzgeber. Nicht auch zuletzt wegen des zunehmenden Unmutes ausländischer Unternehmen hat die brasilianische Finanzverwaltung versucht, in 2012 und 2013 über umfassende gesetzliche Änderungen die Verrechnungspreisregelungen zu vereinheitlichen und somit das Engagement ausländischer Unternehmen in Brasilien zu stärken.

Wesentliche Unterschiede zum OECD-Ansatz

Die Verrechnungspreisregularien in Brasilien finden nicht ausschließlich bei Transaktionen mit verbundenen Unternehmen Anwendung, sondern auch bei Transaktionen mit Gesellschaften in von der brasilianischen Finanzverwaltung klassifizierten Steueroasen. Des Weiteren hat der brasilianische Gesetzgeber das Konzept eines verbundenen Unternehmens erweitert, bspw. bei exklusiven Vertriebsrechten.

Die brasilianischen Verrechnungspreisregularien sehen eine kalkulatorische Darstellung der Verrechnungspreise auf Produktebene vor. Dies bedeutet, dass für jedes Produkt, jede Dienstleistung und jedes (Nutzungs-)recht einzeln die Fremdüblichkeit des im Kalenderjahr durchschnittlich angewandten Verrechnungspreises bestimmt werden muss. Der Steuerpflichtige ist dabei frei, die für ihn „beste“ Methode zu wählen, da es keine formelle Methodenhierarchie gibt. Eine Aggregation ist nur bedingt möglich. Bspw. können Berechnungen für einzelne Fahrzeuge gesammelt durchgeführt werden. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass jedes in diesem Fahrzeug verbaute Teil, welches Bestandteil einer unternehmensinternen Transaktion ist und somit den Verrechnungspreisregularien unterliegt, einzeln betrachtet werden muss. Wird ein Fertigprodukt, wie z.B. ein komplettes Fahrzeug, importiert oder exportiert, ist hier ebenfalls zwischen allen möglichen Modellvarianten zu unterscheiden. Der transaktionsbezogene Ansatz wird dabei formalistisch konsequent angewendet, so dass positive und negative Abweichungen von den teilweise vorgegebenen Margen bei der Prüfung der einzelnen Transaktionen z.B. zwischen verschiedenen Produkten oder Methoden nicht gegeneinander ausgeglichen werden können.

Dokumentationspflichten in Brasilien

Der Steuerzahler in Brasilien steht grundsätzlich in der Beweispflicht und muss glaubhaft dokumentieren, dass die angewandten Verrechnungspreise den gesetzlichen Regelungen entsprechen. Dementsprechend muss der Steuerpflichtige jährlich zum Zeitpunkt der Steuererklärung die Methodenwahl für jedes Produkt und die Berechnungsgrundlage der brasilianischen Finanzverwaltung in elektronischer Form zukommen lassen, damit diese die Dokumente eigenständig auswerten kann. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine umfangreiche, schriftliche Verrechnungspreisdokumentation, wie sie bspw. in Deutschland und entsprechend der OECD-Regelungen regelmäßig erstellt werden müssen, sondern vielmehr um eine Kalkulation, bei der die Fremdüblichkeit auf Produkt- bzw. Dienstleistungsebene nachgewiesen werden muss. Es ist jedoch nicht klar geregelt, welche Arten von Dokumenten für den Nachweis erforderlich sind. Aus praktischen Gründen werden neben der eigentlichen Kalkulation meist Verträge, Rechnungen, Verkaufsvereinbarungen etc. eingereicht.

Seit 2015 besteht darüber hinaus für brasilianische Unternehmen die Pflicht ihre Gewinne auf einer Country-by-Country-Basis offenzulegen, welche auch die Offenlegung von Gewinnen aller ausländischen Tochtergesellschaften umfasst.

Überblick über die anzuwendenden Verrechnungspreismethoden

Die von der OECD abweichenden brasilianischen Verrechnungspreisregelungen stellen viele in Brasilien tätige Unternehmen vor Probleme. Mit Wirkung zum 1. Januar 2013 traten in Brasilien die Gesetze 12,715/12 und 12,766/12 in Kraft, durch welche die anzuwendenden Verrechnungspreismethoden überarbeitet wurden. Die wesentlichen Änderungen umfassen die Modifikation bestehender Methoden, die Einführung neuer Verrechnungspreismethoden für Finanztransaktionen und Transaktionen mit Grunderzeugnissen, sowie Änderungen bei der Behandlung von Finanztransaktionen.

Grundsätzlich unterscheiden die brasilianischen Verrechnungspreisregularien zwischen Import- und Export-Transaktionen, für welche dann die geltenden Methoden anzuwenden sind, um die Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise zu dokumentieren. Allerdings sieht der brasilianische Gesetzgeber keinen Fremdvergleich im eigentlichen Sinne vor; der brasilianische Gesetzgeber lässt bei der Anwendung der Methoden den Fremdvergleich anhand von Drittdaten weitestgehend außer Acht (z.B. anhand von Datenbankstudien) und gibt stattdessen Ober- bzw. Untergrenzen zu erzielender Bruttomargen vor.

Transaktionsart Anerkannte Verrechnungspreismethoden  
Import-Transaktionen    
Preisvergleichsmethode PIC – Método dos Preços Independentes Comparados
Wiederverkaufsmethode PRL - Método do Preço de Revenda menos o Lucro
Kostenaufschlagsmethode CPL – Custo de Produção mais Lucro
Preisvergleichsmethode bei Importpreisen für Grunderzeugnisse PCI - Preço sob Cotação na Importação
Export-Transaktionen    
Preisvergleichsmethode PVEx – Preço de Venda na Exportação
Kostenaufschlagsmethode CAP – Custo de Acquisição ou Produção mais Tributos e Lucro
Wiederverkaufspreismethode PVA - Preço de Venda por Atacado no país de Destino, Diminuido do Lucro; PVV - Preço de Venda Preço por Varejo no país de Destino, Diminuido do Lucro
Preisvergleichsmethode bei Exportpreisen für Grunderzeugnisse PECEX - Preço sob Cotação na Exportação

Import-Transaktionen

Die Wiederverkaufspreismethode stellt für viele brasilianische Unternehmen die gängigste Methode zur Überprüfung der Angemessenheit konzerninterner Import-Transaktionen dar. Bei ihrer Anwendung müssen laut Gesetzgeber Mindestrohertragsmargen erzielt werden, welche bei importierten Gütern nach der Industrie aufgeteilt sind. Gemäß der wirtschaftlichen Aktivität des Steuerpflichtigen sieht das Gesetz Mindestrohertragsmargen zwischen 20 % und 40 % vor. Unternehmen, die in mehreren Wirtschaftszweigen tätig sind, müssen die Wiederverkaufspreismethode segmentiert für die jeweiligen Sektoren anwenden. Bei der Wiederverkaufspreismethode werden Frachtkosten und Versicherungskosten nur dann im Einfuhrpreis berücksichtigt, wenn diese an verbundene Unternehmen gezahlt werden. Sämtliche Frachtkosten und Versicherungskosten, die an Unverbundene gezahlt werden, fließen dagegen nicht in den Einfuhrpreis mit ein. Einfuhrzölle werden bei der Bestimmung der Angemessenheit außer Acht gelassen.

Bei der Kostenaufschlagsmethode ist ebenfalls ein fixer Prozentsatz in Höhe von 20 % gesetzlich festgelegt. Die Kostenaufschlagsmethode wird in der Praxis für Import-Transaktionen kaum angewendet, da die Kosten sehr detailliert nach brasilianischem GAAP erstellt werden müssen. Dies führt zu Komplikationen, da die zugrunde liegende Kostenbasis im Ausland häufig aus brasilianischer Sicht nicht abzugsfähige Aufwendungen enthält. Eine entsprechende Anpassungsrechnung ist in der Regel aufwändiger als die Verwendung einer der anderen zulässigen Methoden, insbesondere weil die entsprechenden Informationen über die zugrundeliegende Kostenbasis im Ausland sind und daher von der brasilianischen Finanzverwaltung schwer zu überprüfen sind.

Die Preisvergleichsmethode ist für Importe und Exporte im Wesentlichen gleich geregelt. Hierbei sind folgende Vergleichbarkeitskriterien relevant: Die Güter, Dienstleistungen oder Rechte müssen

  • gleicher Art sein und die gleiche Funktion erfüllen;
  • für jeden anderen in ihrer beabsichtigten Funktion zu ersetzen sein; und
  • gleichartige Vorgaben und Spezifikationen erfüllen.

Da die Aussagekraft dieser Kriterien recht begrenzt ist, kann man sich an der entsprechenden Produktnummer orientieren. Unterscheiden sich Produktnummern, wird die Vergleichbarkeit in aller Regel auch von der Finanzverwaltung angezweifelt. Aus diesem Grund wird in der Regel nur ein interner Preisvergleich angewendet. D.h. ein Im- oder Export des gleichen Produktes durch die brasilianische Gesellschaft oder einer verbundenen Gesellschaft mit einem unverbundenen Dritten. Gemäß der in 2012 geänderten Fassung der Preisvergleichsmethode können für den internen Preisvergleich lediglich Transaktionen mit fremden Dritten herangezogen werden, wenn diese mindestens 5 % des untersuchten Import- bzw. Dienstleistungsvolumens mit verbundenen Unternehmen ausmachen. Bei einem externen Preisvergleich wird dieser Schwellenwert dagegen nicht zugrunde gelegt. Die Vergleichstransaktionen sollten darüber hinaus im gleichen Veranlagungszeitraum stattgefunden haben und vergleichbaren vertraglichen Konditionen unterliegen. Sind solche Transaktionen nicht verfügbar, können Vorjahreswerte mit entsprechenden Wechselkursanpassungen verwendet werden.

Export-Transaktionen

Für die Kostenaufschlagsmethode schreibt das Gesetz bei Export-Transaktionen einen fixen Kostenaufschlag in Höhe von 15 % auf die Kosten der brasilianischen Gesellschaft vor. Die Kostenaufschlagsmethode stellt für viele brasilianische Unternehmen die gängigste Methode zur Überprüfung der Angemessenheit konzerninterner Export-Transaktion dar. Die Wiederverkaufspreismethode wird differenziert für Groß- und Einzelhandelstransaktionen angewandt. Für den Großhandel wird der Verkaufspreis im Empfängerland abzüglich einer 15 % Marge zugrunde gelegt, für den Einzelhandel wird eine Marge von 30 % vorgegeben. Diese Methode wird seltener angewendet, weil, ähnlich wie bei der Kostenaufschlagmethode bei Import-Transaktionen, die erforderlichen Daten im Ausland sind und somit für die brasilianische Finanzverwaltung schwer zu überprüfen ist. Gleichermaßen führten hier die unterschiedlichen Rechnungslegungsgrundsätze zur Vermeidung dieser Methode.

Parameter-Preis

Zur Überprüfung der Angemessenheit der Verrechnungspreise muss nach geltenden gesetzlichen Regelungen der tatsächlich angesetzte Verrechnungspreis mit dem sog. Parameter-Preis verglichen werden. Der Parameter-Preis ermittelt sich über die exakte Anwendung der relevanten Verrechnungspreismethode gemäß gesetzlicher Vorschriften. Die brasilianische Finanzverwaltung darf demnach eine Korrektur des Verrechnungspreises vornehmen, wenn dieser bei Export-Transaktionen den Paramater-Preis um mehr als 5 % unterschreitet bzw. bei Import-Transaktionen mehr als 5 % überschreitet. Der Erlass 1.312/12 bestätigt nochmals den Schwellenwert von 5 % und weitet diesen explizit auf sämtliche Verrechnungspreismethoden aus. Einzig hiervon ausgenommen sind Transkationen mit Grunderzeugnissen, bei denen der Verrechnungspreis maximal 3 % vom ermittelten Parameter-Preis abweichen darf. Dies ergibt faktisch eine Senkung der Zielmargen, welche allerdings nicht bei potentiellen Anpassungsrechnungen seitens der Finanzverwaltung verwendet werden.

Safe Harbor-Regelungen (Dispensas de Comprovação)

Die geltenden Verrechnungspreisgelungen bieten dem Steuerpflichtigen bestimmte Safe Harbor-Regelungen bei konzerninternen Export-Transaktionen. Gemäß dieser Safe Harbor-Regelungen muss der Steuerpflichtige die Fremdüblichkeit seiner konzerninternen Export-Transaktionen nicht nachweisen, wenn eine der in der folgenden Tabelle aufgeführten Bedingungen erfüllt wird:

Safe Harbor Regelungen  
Profitabilität Der Erlass 1.312/12 erhöht den Schwellenwert der Gewinnmarge auf 10 %. Bei Unternehmen, deren konzerninternes Exportvolumen 20 % des gesamten Exportvolumens überschreitet, kommt die Safe Harbor-Regelung nicht zum Tragen.
Repräsentation Die Nettoumsätze der konzerninternen Export-Transaktionen machen weniger als 5 % der Gesamtnettoumsätze im zugrundeliegenden Wirtschaftsjahr aus
Preisvergleich Exportpreise entsprechend einer Mindesthöhe von 90% des Verkaufspreises im Inland.

Von den Safe Harbor–Regelungen vollständig ausgenommen sind Transaktionen mit Grunderzeugnissen.

Ausblick

Zusammenfassend muss auch im Lichte der gesetzlichen Veränderungen festgehalten werden, dass die Methoden immer noch sehr stark von denen der OECD abweichen. Zudem gibt es weiterhin nur bedingt die Möglichkeit eines Fremdvergleichs auf Basis vergleichbarer Transaktionen unverbundener Unternehmen. Auffällig ist, dass diese Methoden immer noch wenig Bezug zur aktuellen Wirtschaftslage haben und die Transaktionen von unter Umständen konträren Wirtschaftsbereichen gleich behandelt werden.

Die brasilianische Finanzverwaltung zeigt sich zudem äußerst unflexibel in Bezug auf eine Vermeidung von Doppelbesteuerungen deutscher Unternehmen. So existiert zwischen Brasilien und der Bundesrepublik Deutschland derzeit kein Doppelbesteuerungsabkommen, auch wenn kürzlich die Verhandlungen vorerst wieder aufgenommen wurden. Somit ist es nicht verwunderlich, dass sich deutsche Unternehmen eine Geschäftstätigkeit am Zuckerhut gut überlegen. Die konkrete Anwendung der Verrechnungspreisregelungen bleibt auch nach Einführung der Gesetzesnovellen seit 2012 sehr komplex, sodass Unternehmen weiterhin auf Unterstützung durch lokale Verrechnungspreisexperten angewiesen sind.

Weiterführende links:

Ihre Ansprechpartner

Julia Gehri
Director

jugehri@deloitte.de
Tel.: 0711 16554-7419

Conrad Marburg
Professional

cmarburg@deloitte.de
Tel.: 030 25468-8565

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