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03.02.2012
Verfahrensrecht

BFH: Zuteilung der Steuer-Identifikationsnummer verfassungsgemäß

Entscheidung

Der BFH hält - wie zuvor das FG Köln - die Zuteilung der Identifikationsnummer und die Datenspeicherung für verfassungsgemäß. Diese Regelungen dienen den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen: Bürokratieabbau innerhalb und außerhalb der Verwaltung sowie Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Die Identifikationsnummern werden den steuerpflichtigen natürlichen Personen auf Dauer und bundeseinheitlich zugeteilt, sodass eine eindeutige Identifizierung im Besteuerungsverfahren ermöglicht wird. Die Identifikationsnummer und die dazu erfolgte Datenspeicherung bilden eine wesentliche Voraussetzung für die elektronischen Lohnsteuermerkmale, die ab dem Jahr 2013 die bisherigen Lohnsteuerkarten ersetzen sollen, sowie für die Automatisierung von Verfahrensabläufen. Die zutreffende und vollständige Erfassung der Alterseinkünfte bei der Einkommensteuer kann leichter und effektiver geprüft werden. Außerdem kann Missbräuchen bei der Beantragung von Kindergeld sowie beim Abzug von Kapitalertragsteuer entgegengewirkt werden. Es liegt auch kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Religionsfreiheit vor. Dies gilt auch für die ab 01.01.2014 anzuwendende Neuregelung (Abzug der Kirchensteuer von Kapitalerträgen), da der Steuerpflichtige beantragen kann, dass die Daten über seine rechtliche Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft den zum Abzug von Kapitalertragsteuer verpflichteten Stellen nicht mitgeteilt werden (Sperrvermerk). Das BMF, das dem Revisionsverfahren beigetreten ist, hält diese Regelungen ebenfalls für erforderlich und mit dem Grundgesetz vereinbar.
BFH, Urteil vom 18.01.2012, II R 49/10, BStBl II 2012, S. 186 


Vorinstanz
Finanzgericht Köln, Urteil vom 07.07.2010, 2 K 3093/08, EFG 2010, S. 1860

Sachverhalt

Die Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) wird seit dem 01.08.2008 vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) an alle Einwohner versandt (§ 139b AO). Sie soll das Besteuerungsverfahren vereinfachen und Bürokratie abbauen. Hierzu erhält das zuständige BZSt von allen Meldebehörden elektronisch die im Melderegister gespeicherten Daten. Daneben werden u.a. lohnsteuererhebliche Daten, wie z.B. Religionszugehörigkeit, Krankenversicherungsbeiträge, Zahl der Lohnsteuerkarten und Kinder mit ihren Steuer-ID gespeichert (§ 39e EStG).

Entscheidung zu FG Köln, Urteil vom 07.07.2010, 2 K 3093/08

Das FG Köln hat in sieben Musterverfahren die Klagen gegen die Vergabe der Steueridentifikationsnummer (Steuer-ID) abgewiesen. Das Gericht hat zwar erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Steuer-ID geäußert, diese Zweifel führten aber nicht zu einer Vorlage an das BVerfG, weil eine Anrufung des BVerfG nur möglich ist, wenn ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer Norm völlig überzeugt ist. Der Senat konnte in Bezug auf die Vergabe der Steuer-ID nicht die Überzeugung gewinnen, dass das Recht des einzelnen Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung das Interesse der Allgemeinheit an einer gleichmäßigen Besteuerung überwiegt.

Seine verfassungsrechtlichen Zweifel stützt der Senat u.a. darauf, dass durch die Steuer-ID letztlich alle in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bürger zentral durch den Staat erfasst würden. Damit bestehe die Möglichkeit, durch entsprechende Erweiterungen der zu speichernden Daten bzw. durch die Vernetzung verschiedener Datenpools einen großen zentralen Datenbestand zu schaffen. Hieraus könnte sich künftig auch die Gefahr der Erstellung von Persönlichkeitsprofilen ergeben. Auch sei es fraglich, ob es zum Zwecke der gleichmäßigen Besteuerung tatsächlich erforderlich sei, die Steuer-ID "flächendeckend" zuzuteilen und "flächendeckend" Daten zu speichern, unabhängig davon, ob die betreffenden Personen schon einen Besteuerungstatbestand erfüllt hätten. Diesbezüglich komme es in gewisser Weise zu einer "Vorratsdatenspeicherung".

Betroffene Norm

§ 139b AO

Fundstellen

Finanzgericht Köln, Urteil vom 07.07.2010, 2 K 2999/08
Finanzgericht Köln, Urteil vom 07.07.2010, 2 K 3834/08
Finanzgericht Köln, Urteil vom 07.07.2010, 2 K 3093/08
Finanzgericht Köln, Urteil vom 07.07.2010, 2 K 3265/08
Finanzgericht Köln, Urteil vom 07.07.2010, 2 K 3837/08
Finanzgericht Köln, Urteil vom 07.07.2010, 2 K 3838/08
Finanzgericht Köln, Urteil vom 07.07.2010, 2 K 3986/08

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