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06.04.2017
Verfahrensrecht

BFH: Zulässigkeit der Klage gegen Nullbescheid

Der BFH geht in zwei Verfahren aufgrund der im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2010 eingeführten Bindungswirkung der Steuerfestsetzungen für den Verlustfeststellungsbescheid von einer Beschwer eines sog. Nullbescheids (Steuerfestsetzung von 0 Euro) aus. Folglich kann ein Einspruch bzw. eine Klage gegen einen Nullbescheid zulässig sein.

Sachverhalt

BFH, Urteil vom 07.12.2016, I R 76/14:
Das Finanzamt ermittelte negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb und setzte die Körperschaftsteuer für das Streitjahr 2011 auf 0 Euro fest. Die Klägerin erhob mit Zustimmung des Finanzamts Sprungklage gemäß § 45 FGO gegen den Körperschaftsteuerbescheid (Nullbescheid).

BFH, Urteil vom 06.12.2016, I R 79/15:
Das Finanzamt ermittelte einen negativen Gewerbeertrag und setzte den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr 2011 in Höhe von 0 Euro und einen vortragsfähigen Gewerbeverlust fest. Nach erfolglosem Einspruch legte die Klägerin Klage gegen den Nullbescheid ein. Das FG hielt die Klage gegen den Nullbescheid für zulässig.

Entscheidung

Der BFH kommt in beiden o.g. Verfahren zu dem Schluss, dass die Klage gegen den Nullbescheid gemäß § 40 Abs. 2 FGO zulässig ist.

Zwar sei der Kläger bei der Anfechtung eines Nullbescheids nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH v. 16.12.2014, X B 113/14) in seinen Rechten nicht verletzt. Die Klage gegen einen Nullbescheid könne jedoch dann zulässig sein, wenn der Bescheid sich für den Kläger deshalb nachteilig auswirke, weil in ihm angesetzte Besteuerungsgrundlagen im Rahmen anderer Verfahren verbindliche Entscheidungsvorgaben liefern (vgl. z.B. BFH v. 08.06.2011, I R 79/10; BFH v. 21.09.2011, I R 7/11).

Nach § 31 Abs. 1 S. 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 4 S. 4 EStG bzw. nach § 35b Abs. 2 S. 2 GewStG sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind. § 171 Abs. 10 AO, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 FGO gelten entsprechend (vgl. § 10d Abs. 3 S. 4 HS. 2 EStG bzw. § 35b Abs. 2 S. 2 HS. 2 GewStG). Aufgrund dieser im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2010 geschaffenen Regeln würde eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Steuerfestsetzungsbescheid (vgl. BFH v. 10.02.2015, IX R 6/14) und folglich eine sachliche Beschwer bewirkt, die den Steuerpflichtigen auch bei Vorliegen eines Nullbescheids zur Anfechtung berechtige.

Die Ausnahmeregelung nach § 10d Abs. 4 S. 5 EStG bzw. nach § 35b Abs. 2 S. 3 GewStG stehe der Annahme einer Beschwer in den o.g. Streitfällen nicht entgegen.

Betroffene Normen

§ 10d Abs. 4 S. 4 u. 5 EStG, § 35 Abs. 2 S. 2 u. 3 GewStG, §§ 171 Abs. 10, 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 u. 351 Abs. 2 A0, §§ 40 u. 42 FGO
Streitjahr 2011

Vorinstanzen

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.11.2014, 12 K 12320/12 (zu I R 76/14)
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 28.08.2015, 6 K 285/13 (zu I R 79/15)

Anmerkungen

Die o.g. Rechtsauffassung des BFH bestätigt die Auffassung der Finanzverwaltung, nach der – sofern die Neuregelungen des Jahressteuergesetzes 2010 (d.h. § 10d Abs. 4 S. 4f. EStG bzw. § 35 Abs. 2 S. 2f. GewStG) zur Anwendung kommen – der Nullbescheid anzufechten ist (vgl. FinMin Mecklenburg-Vorpommern v. 15.11.2013; OFD Münster v. 10.06.2011, Ziff. 4.; OFD Frankfurt a.M. v. 22.08.2016, Rn. 16).

Die mit dem Jahressteuergesetz 2010 geschaffenen Regeln sind gemäß § 52 Abs. 25 S. 5 EStG bzw. § 36 Abs. 10 S. 1 GewStG erstmals für Verluste, für die nach dem 13.12.2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird, anzuwenden.

Sofern die Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags bis zum 13.12.2010 abgegeben worden sind, ist ein Einspruch gegen den Nullbescheid mangels Beschwer unzulässig (vgl. BFH v. 09.12.1998, XI R 62/97; OFD Frankfurt a.M. v. 22.08.2016, Rn. 14). Anzufechten ist allein der jeweilige Verlustfeststellungsbescheid (vgl. OFD Frankfurt a.M. v. 22.08.2016, Rn. 13).

BFH, Urteil vom 09.05.2017, VIII R 40/15:
Mit Urteil vom 09.05.2017 hat der BFH bestätigt, dass (nachträglich geltend gemachte) Verluste auch bei Kapitaleinkünften grundsätzlich im Einkommensteuerbescheid und nicht (isoliert) im Verlustfeststellungsbescheid geltend zu machen sind.

BFH, Urteil vom 07.12.2016, I R 76/14:
Im Rahmen dieses Urteils hat der BFH auch zur Steuerverstrickung von Darlehensverbindlichkeiten Stellung genommen, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 06.12.2016, I R 79/15:
Im Rahmen dieses Urteils hat der BFH auch zum Bankenprivileg für Konzernfinanzierungsgesellschaften (§ 19 Abs. 1 GewStDV) Stellung genommen, siehe Deloitte Tax-News.

Fundstellen

BFH, Urteil vom 07.12.2016, I R 76/14, BStBl II 2017 Seite 704

BFH, Urteil vom 06.12.2016, I R 79/15

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 09.05.2017, VIII R 40/15, BStBl. II 2017, S. 1049 

BFH, Urteil vom 09.12.1998, XI R 62/97, BStBl. II 2000, S. 3

BFH, Urteil vom 16.12.2014, X B 113/14 (NV)

BFH, Urteil vom. 08.06.2011, I R 79/10, BStBl. II 2012, S. 421, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 21.09.2011, I R 7/11, BStBl. II 2014, S. 616

BFH, Urteil vom 10.02.2015, IX R 6/14 (NV)

Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern, Erlass vom 15.11.2013

OFD Münster, Kurzinformation vom 10.06.2011, FR 2011, S. 630

OFD Frankfurt a.M., Verfügung vom 22.08.2016

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