Zurück zur Übersicht
25.05.2010
Verfahrensrecht

BFH: Strafbefreiungserklärungsgesetz - Sperrwirkung wegen Erscheinens eines Amtsträgers

Sachverhalt

Das Finanzamt ordnete bei dem Kläger eine Außenprüfung betreffend Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 an. Die Prüfung fand in den Räumen des Finanzamts statt und begann Anfang Februar 2003. Im März 2004 ging beim Finanzamt eine strafbefreiende Erklärung des Klägers ein, in der der Kläger zu Unrecht nicht besteuerte Einnahmen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 StraBEG (Strafbefreiungserklärungsgesetz) erklärte. Dabei handelte es sich um den Ansatz von Reparaturkosten für ein Privatfahrzeug als Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers gemäß § 18 EStG. Binnen 10 Tagen nach Abgabe der Erklärung entrichtete der Kläger an das Finanzamt einen Betrag in Höhe von 25 % der erklärten Einnahmen. 

Daraufhin leitete das zuständige Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung gegen den Kläger ein Strafverfahren ein, welches indes im Jahre 2005 gemäß § 153 der Strafprozessordnung eingestellt wurde. Ende April 2004 erließ das Finanzamt einen Aufhebungsbescheid gemäß § 10 Abs. 3 StraBEG, mit dem es die mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung in Höhe von 25 % der erklärten Einnahmen aufhob. Zur Begründung führte das Finanzamt an, nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG sei keine Straf- oder Bußgeldbefreiung eingetreten, da bereits vor Eingang der strafbefreienden Erklärung bei dem Erklärenden ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen sei. Der Kläger machte hingegen geltend, unter „Erscheinen“ i.S. des § 7 StraBEG sei die körperliche Anwesenheit des Prüfers am Prüfungsort zu verstehen. Erschienen sei der Amtsträger, sobald er in Prüfungsabsicht das Grundstück mit den Betriebs- oder Wohnräumen des Steuerpflichtigen betrete. Daran fehle es im Streitfall. Der Steuerberater sei zwar als Bevollmächtigter des Klägers an Amtsstelle erschienen, um dort alle Belege und Sachkonten für den Prüfungszeitraum zu übergeben. Das Erscheinen des Steuerpflichtigen oder seines Bevollmächtigten in den Diensträumen des Amtsträgers reichten aber nicht aus.

Entscheidung

Nach § 7 StraBEG tritt die Straf- oder Bußgeldfreiheit nicht ein, soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung wegen einer Tat i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 der Norm oder einer Handlung i.S. des § 6 des Gesetzes bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist. Dieser Ausschluss der Straf- oder Bußgeldbefreiung nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ist auch bei Prüfungen an Amtsstelle ist möglich. Zwar tritt nach dem Wortlaut der Norm Straf- oder Bußgeldfreiheit nur dann nicht ein, "soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung wegen einer Tat im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 oder einer Handlung im Sinne des § 6 bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung ... erschienen ist ...". Daraus kann indes nicht gefolgert werden, die Sperrwirkung des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG komme nur in Betracht, wenn ein Betriebsprüfer die Wohn- oder Geschäftsräume des Steuerpflichtigen oder seines Vertreters aufsucht, nicht aber bei einer Prüfung an Amtsstelle. Eine solche Auslegung würde eine Besserstellung derjenigen Steuerpflichtigen bedeuten, bei denen keine Prüfung in ihren Räumlichkeiten vorgenommen wird oder werden kann und widerspräche dem Gesetzeszweck. Der Gesetzgeber kann nicht die Absicht gehabt haben, diejenigen besser zu stellen, die ihrer Mitwirkungspflicht bewusst nicht nachkommen oder dies aus objektiven Gründen nicht können. Andernfalls hätten Steuerpflichtige es nämlich in der Hand, die Ausschlussregelung in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG gezielt dadurch zu umgehen, dass sie vorgeben, eine Prüfung in ihren Räumlichkeiten sei nicht möglich, die Prüfung möge daher an Amtsstelle stattfinden. Mit dem Zweck des Gesetzes wäre das nicht vereinbar, weil § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ähnlich wie § 371 AO darauf zielt, den Vorteil einer strafbefreienden Erklärung (bei § 371 AO: Selbstanzeige) zu versagen, wenn im Rahmen einer Außenprüfung mit der Aufdeckung unrichtiger Angaben, die zu einer Steuerverkürzung und einem steuerlichen Vorteil geführt haben, gerechnet werden muss. 

Im Streitfall hatte der Prüfer hat die im Rahmen der Außenprüfung zunächst angeforderten Geschäftsunterlagen in den Räumlichkeiten des Finanzamts vom Kläger bzw. seinem Vertreter Anfang Februar 2003 persönlich empfangen. Damit war erkennbar, dass die Außenprüfung begonnen hat. Da zudem vor Ende März 2004 (Eingangs der strafbefreienden Erklärung beim Finanzamt) weitere Unterlagen vom Prüfer angefordert worden sind, war aus der Sicht des Klägers deutlich, dass die Prüfung jedenfalls Ende März 2004 bereits seit längerem im Gange war. Der Tatbestand des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ist damit erfüllt.

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil v. 09.08.2007, 6 K 5364/04 AO, EFG 2008, S. 79.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 09.03.2010, Az. VIII R 50/07.

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.