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24.06.2010
Verfahrensrecht

BFH: Nachforderungszinsen - unterschiedlicher Zinslauf bei Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Sie erfasste Erträge aus Genussrechten, die die Jahre 1995 und 1996 betrafen, aber erst in den Jahren 1996 bzw. 1997 gezahlt worden waren, im jeweils folgenden Jahr 1996 bzw. 1997. Der Jahresabschluss des Streitjahres 1996 wurde im April 1997 aufgestellt. Der Gewinn wurde in Höhe von 15 Mio. DM in die Gewinnrücklagen eingestellt. Der restliche Rohüberschuss (nach Kürzungen der Direktgutschrift) wurde satzungsgemäß der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) zugewiesen. Während einer Außenprüfung beschloss die Klägerin, die Erträge aus den Genussrechten phasengleich zu erfassen. Anlass hierzu war das BFH-Urteil vom 18.12.2002. Der berichtigte Jahresabschluss 1996 wurde im November 2003 vom Aufsichtsrat der Klägerin festgestellt. Die Dotierung der Gewinnrücklagen blieb unverändert bestehen. Gemäß Satzung erhöhte sich hierdurch die RfB. Da gemäß § 21 Abs. 2 KStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung (KStG 1996) RfB unter bestimmten, im Sachverhalt unstreitig vorliegenden Voraussetzungen gewinnmindernd zu berücksichtigen sind, war die Bilanzänderung insgesamt erfolgsneutral.

Das Finanzamt änderte nach der Außenprüfung aufgrund einer nicht streitbefangenen Gewinnerhöhung den Körperschaftsteuerbescheid für 1996 und setzte mit Bescheid vom Mai 2004 gegen die Klägerin eine höhere Körperschaftsteuer fest. Dieser Betrag ist unstreitig. Gleichzeitig setzte das Finanzamt Zinsen zur Körperschaftsteuer 1996 nach § 233a AO fest. Hiervon ist aufgrund der zuvor erwähnten Gewinnerhöhung ein Teilbetrag unstreitig. Der restliche Betrag ergab sich daraus, dass das Finanzamt zunächst fiktiv von einer infolge Einbeziehung der Genussrechtszinsen erhöhten festgesetzten Körperschaftsteuer ausging. Als Beginn des Zinslaufs nahm es den 01.04.1998 an. Hinsichtlich der Erhöhung der Gewinnrücklagen ging das Finanzamt von einem rückwirkenden Ereignis aus mit der Folge, dass gemäß § 233a Abs. 7 AO der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres zu laufen begonnen habe, in dem der Aufsichtsrat der Klägerin die geänderte Handelsbilanz 1996 festgestellt habe (November 2003). Die Klägerin hat darauf hin erfolglos beantragt, die Zinsen zur Körperschaftsteuer 1996 herabzusetzen.

Entscheidung

Führt die Festsetzung der Körperschaftsteuer zu einem Unterschiedsbetrag i.S. des § 233a Abs. 3 AO, ist dieser zu verzinsen (§ 233a Abs. 1 AO). Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 AO). Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO) beruht, beginnt der Zinslauf abweichend hiervon 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist (§ 233a Abs. 2a AO).

Im Streitfall beruht der geänderte Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr nicht auf der geänderten Steuerbilanz, so dass dahingestellt bleiben kann, ob und inwieweit die geänderte Bilanz Rückwirkung für das Streitjahr entfaltet. Die geänderte Steuerfestsetzung gründet vielmehr (nur) auf einer Gewinnerhöhung im Anschluss an die Außenprüfung bei der Klägerin. Diese Gewinnerhöhung steht mit den von der Klägerin geänderten Bilanzpositionen nicht im Zusammenhang. Hätte die Außenprüfung nicht zu einer Steuernachzahlung geführt oder hätte die Klägerin die geänderte Bilanz nicht im zeitlichen Zusammenhang mit der Außenprüfung beim Finanzamt eingereicht, wäre es zu keiner geänderten Körperschaftsteuerfestsetzung gekommen. Denn die durch die phasengleiche Erfassung der Erträge aus den Genussrechten bewirkte Gewinnerhöhung wurde dadurch ausgeglichen, dass die Klägerin den Erhöhungsbetrag jeweils in voller Höhe den einkommensmindernd zu berücksichtigenden RfB gemäß § 21 Abs. 2 KStG 1996 zuführte. Ihr Steuerbilanzgewinn änderte sich daher durch die während der Außenprüfung eingereichte Bilanz nicht.

Allein der Umstand, dass der Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr aus anderen Gründen geändert wurde, ermöglicht aber keine Zinsfestsetzung auch hinsichtlich einer fiktiven Körperschaftsteuer, die bei isolierter Betrachtung auf die Erträge aus Genussrechten entfallen würde. Nur eine Bilanzänderung - sei es die Korrektur eines fehlerhaften Bilanzansatzes oder der Ersatz eines zulässigen Bilanzansatzes durch einen anderen ebenfalls zulässigen Bilanzansatz -, die sich tatsächlich auf die festgesetzte Körperschaftsteuer ausgewirkt hat, kann Grundlage einer (abweichenden) Steuerfestsetzung sein. Zwar bestimmt § 233a Abs. 7 AO, dass bei Anwendung des Abs. 2a der Unterschiedsbetrag in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist. Die Vorschrift setzt aber tatbestandlich voraus, dass die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses beruht. Fehlt es bereits hieran, kommt § 233a Abs. 7 AO nicht zum Zuge.

Neben dem Wortlaut des § 233a Abs. 2a AO, nach dem der Zinslauf nur dann abweichend beginnt, "soweit" die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses beruht, spricht auch der Zweck des § 233a Abs. 2a AO für dieses Ergebnis. Der unterschiedliche Beginn des Zinslaufs in § 233a Abs. 2 AO einerseits und in § 233a Abs. 2a AO andererseits beruht auf dem Gedanken, dass ein Verlustabzug oder ein rückwirkendes Ereignis zu Gunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung noch nicht berücksichtigt werden konnte und daher weder der Steuerpflichtige noch das Finanzamt vor Eintritt des rückwirkenden Ereignisses bzw. des Verlustes einen Liquiditätsvor- oder -nachteil erlitten hat, den zu kompensieren das Ziel des § 233a AO ist. Es erscheint daher nicht gerechtfertigt, einen Nachzahlungs- oder Erstattungsanspruch, soweit er auf dem rückwirkenden Ereignis oder dem Verlustrücktrag beruht, schon für den Zeitraum vor Eintritt des rückwirkenden Ereignisses oder des Verlustes zu verzinsen.

Hier hätte jedoch die Aktivierung der Zinsansprüche aus den Genussrechten aufgrund der Satzung der Klägerin bereits in der ursprünglich eingereichten Bilanz zeitgleich eine einkommensmindernde Erhöhung der RfB nach § 21 Abs. 2 KStG 1996 bewirkt. Der Zweck des § 233a Abs. 2a AO rechtfertigt daher -unterstellt, die geänderte Handelsbilanz sei ein rückwirkendes Ereignis - keine unterschiedlichen Zinsläufe. Denn bei einer korrekten phasengleichen Erfassung der Ansprüche aus den Genussrechten und der zeitgleichen Erhöhungen der RfB wäre es zu keiner anderweitigen Steuerfestsetzung gekommen. Das Finanzamt hat daher keinen Liquiditätsnachteil erlitten, der die Festsetzung von Nachforderungszinsen rechtfertigte. Zinsen können daher nur insoweit festgesetzt werden, als die Außenprüfung bei der Klägerin zu einem zwischen den Beteiligten unstreitigen Mehrergebnis geführt hat.

Vorinstanz

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 19.11.2008, 6 K 173/07, EFG 2009, S. 542.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 17.02.2010, I R 52/09, BStBl II 2011, S. 340 
BFH, Urteil vom 18.12.2002, I R 11/02, BStBl II 2003, S. 400

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