FG Münster: Zinsschranke gilt auch für erstmalige Abzinsungserträge
Auch Erträge aus der erstmaligen Abzinsung von Verbindlichkeiten gehören zu den Zinserträgen i.S.v. § 4h Abs. 3 S. 4 EStG, die mit Zinsaufwendungen bei der Berechnung der Zinsschranken-Freigrenze zu verrechnen sind (entgegen BMF-Schreiben vom 04.07.2008).
Sachverhalt
Zwischen einer KG, an der die Klägerinnen beteiligt waren, den Gesellschaftern der Klägerinnen und den Klägerinnen selbst bestanden verschiedene Darlehensbeziehungen. Für zwei dieser Darlehen traten im Streitjahr 2009 die Voraussetzungen für einen Wegfall der Verzinsung ein, woraufhin beide Darlehen abgezinst wurden, was zu einem entsprechenden Abzinsungsertrag führte. Das Finanzamt vertrat unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 04.07.2008 die Auffassung, dass Erträge aus der erstmaligen Abzinsung einer Verbindlichkeit bei der Ermittlung der Zinsschrankenfreigrenze von 3 Mio. Euro nicht zu berücksichtigen seien und ermittelte unter Anwendung der Zinsschrankenregelung einen nichtabziehbaren Zinsaufwand.
Entscheidung
Das FG kommt zu dem Schluss, dass das Finanzamt zu Unrecht eine Begrenzung des Abzugs der Zinsaufwendungen vorgenommen habe.
Gem. § 4h Abs. 3 S. 4 EStG führt die Auf- und Abzinsung unverzinslicher oder niedrig verzinslicher Verbindlichkeiten oder Kapitalforderungen ebenfalls zu Zinserträgen oder Zinsaufwendungen.
Strittig ist hier allein, ob auch Erträge aus der erstmaligen Abzinsung von Verbindlichkeiten als Ertrag i.S. des § 4h Abs. 3 S. 3 und 4 EStG anzusehen sind (ablehnend BMF-Schreiben vom 04.07.2008).
Der Wortlaut des § 4h Abs. 3 S. 4 EStG ist nach Ansicht des FG eindeutig: Er erfasse erkennbar sämtliche Abzinsungserträge und differenziere nicht. Den Gesetzesmaterialien ließen sich keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass eine Einschränkung des Wortlauts erwogen, geschweige denn beabsichtigt gewesen wäre. Da die Abzinsung unverzinslicher Verbindlichkeiten (Ertrag) untrennbar mit den späteren Aufzinsungen (Aufwand) verknüpft ist, erscheine eine nur einseitige Berücksichtigung keineswegs zwingend und hätte daher einer (zumindest erkennbaren) gesetzgeberischen Anordnung bedurft.
Sowohl für eine Anwendung des § 4h Abs. 3 S. 3 EStG (echter Zinsertrag i.S. einer Gegenleistung für die Kapitalüberlassung) als auch des § 4h Abs. 3 S. 4 EStG (gesetzlich bestimmter Zinsertrag) müsse sich ein Zinsertrag gewinnerhöhend auswirken. Eine Gewinnerhöhung sei aber auch bei der erstmaligen Abzinsung der Fall. Nach diesen Maßgaben finde die Zinsschranke im Streitfall keine Anwendung, weil die gesetzliche Freigrenze unterschritten ist.
Betroffene Norm
§ 4h Abs. 3 S. 4 EStG
Streitjahr 2009
Anmerkungen
BVerfG-Vorlage zur Zinsschranke
Generell gilt zu beachten, dass der BFH mit seinem Vorlagebeschluss vom 14.10.2015 (I R 20/15) die Verfassungskonformität der Zinsschranke anzweifelt. Im Streitfall war die Zinsschranke unanwendbar, sodass es auf Fragen ihrer Unionsrechts- oder Verfassungskonformität nicht ankam.
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 17.11.2017, 4 K 3523/14 F, Revision eingelegt: IV R 16/17
Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 04.07.2008, Rz. 27
BFH, Beschluss vom 14.10.2015, I R 20/15, BVerfG-anhängig: 2 BvL 1/16, siehe Deloitte Tax-News