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30.11.2017
Unternehmensteuer

FG Hamburg: Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Streubesitzdividenden

Aktuell: Der BFH hat bestätigt, dass die Besteuerung von Streubesitzdividenden (§ 8b Abs. 4 KStG, § 9 Nr. 2a GewStG) verfassungsgemäß ist. Zwar durchbricht § 8b Abs. 4 KStG das Gebot der Folgerichtigkeit. Dies hält der BFH allerdings zur Herstellung einer europarechtskonformen Rechtslage für verfassungsrechtlich gerechtfertigt. 

BFH, Urteil vom 18.12.2019 (I R 29/17), siehe Deloitte Tax News 
                                                                                                                             

FG Hamburg (Vorinstanz)
Die Besteuerung von Streubesitzdividenden gemäß § 8b Abs. 4 KStG begegnet Bedenken. Gleichwohl kann die Regelung gerechtfertigt und damit verfassungsrechtlich zulässig sein, um nicht über die Anforderungen der Mutter-Tochter-Richtlinie hinauszugehen.

Sachverhalt

Die Klägerin ist zu weniger als 10% an einer AG beteiligt. In 2013 erhielt die Klägerin aus dieser Beteiligung Dividendeneinnahmen. Das Finanzamt setzte gemäß § 8b Abs. 4 KStG, § 9 Nr. 2a GewStG Körperschaftsteuer und einen Gewerbesteuermessbetrag fest. Dagegen hat die Klägerin mit der Begründung Klage erhoben, dass die von ihre erzielten Dividendeneinnahmen gemäß § 8b Abs. 1, Abs. 5 KStG zu 95 % außer Ansatz zu lassen seien. Die Besteuerung sogenannter Streubesitzdividenden verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG und sei daher verfassungswidrig.

Hintergrund

Gemäß § 8b Abs. 4 KStG sind nach dem 28.02.2013 zufließende Dividendeneinnahmen einer körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaft bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Unter diesen Voraussetzungen gilt nicht die Regelung in § 8b Abs. 1, Abs. 5 KStG, nach der solche Bezüge i. H. v. 95 % außer Ansatz bleiben.

§ 8b Abs. 4 KStG wurde mit dem Gesetz vom 21.03.2013 eingefügt zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011. Mit dem Urteil stellte der EuGH die Europarechtswidrigkeit der bis dahin geltenden Regelung zur Besteuerung von Streubesitzdividenden fest. Mit der Einführung des § 8b Abs. 4 KStG entschied sich der Gesetzgeber gegen eine Entlastung gebietsfremder EU-/EWR-Körperschaften unabhängig von einer Mindestbeteiligung und für eine Einbeziehung von Beteiligungserträgen bei der Ermittlung des Einkommens der Körperschaft, wenn die Beteiligung unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals beträgt.

Entscheidung

§ 8b Abs. 4 KStG i.d.F. vom 21.03.2013
Das FG ist von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift des § 8b Abs. 4 KStG nicht überzeugt. Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das BVerfG komm daher nicht in Betracht.

In der Literatur wird § 8b Abs. 4 KStG verbreitet als Systembruch gesehen, der verfassungsrechtlich zumindest bedenklich sei und zudem keine vollständige Gleichstellung inländischer und ausländischer Anteilskörperschaften herstelle.

Das FG teilt die Bedenken im Hinblick auf eine nicht folgerichtige Ausgestaltung der in § 8b Abs. 1, Abs. 2 KStG zum Ausdruck kommenden Grundentscheidung des Gesetzgebers, im System des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens erwirtschaftete Gewinne nur einmal bei der erwirtschaftenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer und erst bei der Ausschüttung an natürliche Personen als Anteilseigner mit Einkommensteuer zu besteuern und deswegen zur Vermeidung von Kumulations- oder Kaskadeneffekten in Beteiligungsketten Bezüge und Veräußerungsgewinne innerhalb gesellschaftlicher Beteiligungsstrukturen bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz zu lassen. Dieses System werde mit der Einfügung von § 8b Abs. 4 KStG für Streubesitzbeteiligungen (< 10 %) für die Erzielung von Beteiligungserträgen durchbrochen.

Zugleich entspreche die Regelung nicht dem Gebot von steuerlicher Lastengleichheit im Sinne einer gleich hohen Besteuerung bei gleicher Leistungsfähigkeit, da beim Zufluss gleich hoher Beteiligungserträge in Abhängigkeit von der Beteiligungsquote die Besteuerung in unterschiedlicher Höhe erfolgt, obwohl ein Einfluss der Beteiligungsquote auf die mit den Beteiligungserträgen verbundene Leistungsfähigkeit nicht ersichtlich ist. So werden bei Beteiligungen von mindestens 10 % unter Berücksichtigung des pauschalen Betriebsausgabenabzugsverbotes gemäß § 8b Abs. 5 KStG nur 5 % der Beteiligungserträge der Körperschaftsteuer unterworfen, während bei Beteiligungen unter 10 % die gesamten Beteiligungserträge, d. h. 100%, erfasst werden.

Die nicht folgerichtige und nicht am Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit ausgerichtete Regelung des § 8b Abs. 4 KStG könne allerdings nach Auffassung des FG durch besondere sachliche Gründe gerechtfertigt und damit verfassungsrechtlich zulässig sein.

Die Regelung könne ggf. durch das Ziel gerechtfertigt sein, nicht über die Anforderungen der Mutter-Tochter-Richtlinie hinauszugehen. Ferner würde eine vollständige Befreiung vom Steuerabzug (unabhängig von der Beteiligungsquote) die Möglichkeit eines Quellensteuerabzugs entsprechend Art. 10 Abs. 2 OECD-Musterabkommen obsolet machen.

§ 9 Nr. 2a GewStG
Auch § 9 Nr. 2a GewStG ist mit der darin vorgesehenen Kürzung der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um Beteiligungserträge erst bei einer Beteiligung von mindestens 15 % des Grund- oder Stammkapitals anzuwenden.

§ 9 Nr. 2a GewSt ist anlässlich der Einführung des § 8b Abs. 4 KStG unverändert geblieben. Weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung ist die Verfassungsmäßigkeit bislang in Frage gestellt worden. Die Anhebung der Mindestbeteiligungsquote von 10 % auf 15 % zum 01.01.2008 im Rahmen des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 ist nach Auffassung des BFH verfassungsgemäß (Beschluss vom 30.05.2014 I R 12/13). Das sieht das FG Hamburg genauso.

Betroffene Norm

§ 8b Abs. 4 KStG, Art. 3 Abs. 1 GG

Streitjahr 2013

Fundstellen

BFH, Urteil vom 18.12.2019, I R 29/17, siehe Deloitte Tax News 

Finanzgericht Hamburg, Gerichtsbescheid vom 06.04.2017, 1 K 87/15

Weitere Fundstellen

EuGH, Urteil vom 20.10.2011, C-284/09, DStR 2011, S. 2038, siehe Deloitte-Tax-News

Finanzgericht Köln, Urteil vom 09.06.2016, 10 K 1128/15, EFG 2016, S. 1542

BFH, Beschluss vom 30.05.2014, I R 12/13, BFH/NV 2014, S. 1402, siehe Deloitte-Tax-News

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