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19.03.2015
Unternehmensteuer

BFH: Zurechnung des Ertrags aus einem Forderungsverzicht bei Gesellschafterwechsel

Beim Gesellschafterwechsel einer Personengesellschaft ist der Ertrag aus einem Forderungsverzicht dann dem Neugesellschafter anstelle des – im Zeitpunkt des Verzichts noch beteiligten – Altgesellschafters zuzurechnen, wenn die betreffenden Verbindlichkeiten von dem Neugesellschafter wirtschaftlich getragen werden. Soweit der BFH in seiner früheren Rechtsprechung auch auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Gründe abgestellt hat, die den Forderungsverzicht des Gläubigers ausgelöst haben, hält er daran nicht fest.

Sachverhalt

An der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, waren bis zum 30.06.2003 als Komplementärin die B-Verwaltungs GmbH und als Kommanditistin die X-AG beteiligt. Zum 01.07.2003 veräußerte die X-AG aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ihre Kommanditanteile an der Klägerin an sechs Investoren (Käufer, Neugesellschafter). Die Klägerin schloss mit Zustimmung der Neugesellschafter einen Vertrag mit mehreren Kreditinstituten über einen Verzicht der Banken zum 30.06.2003 zugunsten der Klägerin auf Forderungen aus Darlehensverträgen ab. Weiterhin stimmten die Neugesellschafter zu, einen Teilbetrag den Banken sofort als Tilgungsbetrag zur Verfügung zu stellen.

Aus dem Forderungsverzicht der Banken entstand bei der Klägerin ein außerordentlicher Ertrag, den diese der X-AG zurechnete. Das Finanzamt hingegen vertrat die, später vom FG geteilte, Auffassung, dass der Ertrag den Neugesellschaftern zuzurechnen sei.

Entscheidung

Nach Ansicht des BFH komme es für die Frage, wem (Alt- oder Neugesellschafter) bei einem Gesellschafterwechsel der Ertrag aus einem Forderungsverzicht der Gläubiger der Gesellschaft zuzurechnen sei, darauf an, wer nach den zwischen den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarungen die (später) erlassenen Verbindlichkeiten wirtschaftlich tragen solle.

Sei anlässlich einer Anteilsveräußerung vereinbart, dass der Neugesellschafter anstelle des Altgesellschafters die Verbindlichkeiten der Gesellschaft wirtschaftlich tragen solle, so sei diesem auch der Ertrag aus einem diesbezüglichen Forderungsverzicht der Gläubiger zuzurechnen, denn der Verzicht komme dann wirtschaftlich dem Neugesellschafter zugute. Sei hingegen vereinbart, dass der Neugesellschafter die betreffenden Verbindlichkeiten nicht wirtschaftlich tragen solle, so sei der entsprechende Ertrag dem Altgesellschafter zuzurechnen, der durch den Erlass von seiner Haftung entbunden werde. Dies gelte unabhängig davon, ob dieser Forderungsverzicht zufällig oder gezielt zeitlich vor oder nach dem Gesellschafterwechsel erfolge. D.h. die Zurechnung eines Ertrags aus einem Forderungsverzicht bei den Neugesellschaftern könne auch dann in Betracht kommen, wenn der Erlass bereits vor deren Eintritt in die Gesellschaft stattgefunden habe (ggf. entgegen BFH-Urteil vom 16.05.2002).

Soweit der BFH in seiner früheren Rechtsprechung auch auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Gründe abgestellt habe, die den Forderungsverzicht des Gläubigers ausgelöst haben, hält er daran nicht fest. Dort habe er die Auffassung vertreten, dass bei einem Gesellschafterwechsel in einer Personengesellschaft ein "Sanierungsgewinn" dann den Neugesellschaftern zuzurechnen sei, wenn der Teilverzicht der Gläubiger rechtlich und wirtschaftlich darauf beruhe, dass die Neugesellschafter bei gleichzeitigem Ausscheiden der Altgesellschafter der Gesellschaft neue Mittel zur Erfüllung der Vergleichsquote zuführten (BFH-Urteile vom 23.09.1993 und vom 19.02.1998). Solle durch die Zuführung neuer Mittel bei Ausscheiden aller Altgesellschafter die Fortführung des Unternehmens der Personengesellschaft durch die Neugesellschafter ermöglicht werden, so komme der Erlass in erster Linie den Neugesellschaftern als neuen Trägern des Unternehmens zugute. Dies habe der BFH als Rechtfertigung dafür angesehen, die bilanzielle Vermögensmehrung selbst dann den Neugesellschaftern zuzurechnen, wenn diese erst mit oder unmittelbar im Anschluss an die Sanierung Mitunternehmer geworden sind (vgl. BFH-Urteil vom 23.09.1993). In Abkehr von dieser Auffassung vertrete der BFH jedoch nun den Standpunkt, dass für die Zurechnung des Ertrags aus einem Forderungsverzicht nicht entscheidend sei, von welcher Seite ein Verzicht der Gläubiger zufällig oder beiläufig verursacht oder gezielt bewirkt worden sei. Maßgebend sei allein die zwischen Verkäufer und Käufer getroffene Bestimmung, wer die (Alt-)Verbindlichkeiten der Gesellschaft wirtschaftlich tragen soll. Denn ein konkreter wirtschaftlicher Zusammenhang sei nur zwischen dem Ertrag aus einem Erlass und der diesem zugrundeliegenden Verbindlichkeit gegeben. 

Betroffene Norm

§ 15 Abs 1 S. 1 Nr. 2 EStG
Streitjahr 2003

Vorinstanz
FG Münster, Urteil vom 14.07.2010, 7 K 2168/07 F, EFG 2010, S. 1984

Fundstelle
BFH, Urteil vom 22.01.2015, IV R 38/10

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 16.05.2002, IV R 58/00, BStBl II 2002, S. 748
BFH, Urteil vom 23.09.1993, IV R 103/90, BFH/NV 1994, S. 468
BFH, Urteil vom 19.02.1998, IV R 59/96, BStBl II 1999, S. 266

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