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17.12.2015
Unternehmensteuer

BFH: Vorlage an den Großen Senat zur Trennungstheorie

Mittlerweile wurde das Verfahren beim Großen Senat eingestellt. Da das Finanzamt dem Kläger nun doch Recht gegeben hat, hat der BFH seinen Vorlagebeschluss an den Großen Senat aufgehoben und der Große Senat hat das bei ihm geführte Verfahren eingestellt. Daher erfährt die in Finanzverwaltung, Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage zur Behandlung teilentgeltlicher Übertragungen im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG keine Klärung.
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Vorlage an den GrS:
Der BFH hat nun dem Großen Senat die Frage vorgelegt, wie im Fall einer teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Einzelbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft die Höhe eines eventuellen Gewinns aus dem Übertragungsvorgang zu ermitteln ist. Hierbei schließt sich der vorlegende X. Senat weiterhin eher der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung der strengen Trennungstheorie an.

Sachverhalt

Die Klägerin verpachtete im Wege der Betriebsaufspaltung umfangreiches Anlagevermögen an eine Betriebs-GmbH. Zum Betriebsvermögen des Besitz-Einzelunternehmens gehörten u.a. zwei Grundstücke, die von der Betriebs-GmbH genutzt wurden. Mit Wirkung zum 01.01.2005 gründete die Klägerin eine GmbH & Co. KG, deren einzige Kommanditistin sie wurde. Zudem war sie – anfangs – Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH. Ihre Einlage in die KG erbrachte die Klägerin durch Einbringung der o.g. Grundstücke, deren Buchwerte über dem Nominalwert ihres Kapitalkontos bei der KG lagen; der überschießende Wert wurde einem Darlehenskonto bei der KG gutgeschrieben.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, die Übertragung der Grundstücke von der Klägerin auf die KG sei nach den Grundsätzen der sog. "Trennungstheorie" insoweit als entgeltlich anzusehen, als der Klägerin hierfür eine Gutschrift auf ihrem Darlehenskonto gewährt worden sei. Einspruch und Klage gegen die entsprechenden Bescheide blieben ohne Erfolg. Der BFH hat mit Beschluss vom 19.03.2014 das BMF zum Beitritt aufgefordert.

Entscheidung

Die Rechtsfrage wird dem Großen Senat des BFH zur Entscheidung vorgelegt.

Nach § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG ist - sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist - bei der Übertragung der Buchwert anzusetzen, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft übertragen wird.

Von der Finanzverwaltung, Rechtsprechung und Literatur werden verschiedene Auffassungen zur Behandlung teilentgeltlicher Übertragungen im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG vertreten.

Die Finanzverwaltung teile in Fällen der teilentgeltlichen Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens unter Beteiligung von Mitunternehmerschaften den Vorgang in ein voll unentgeltliches und ein voll entgeltliches Geschäft auf und ordne den Buchwert anteilig den beiden Teilen des Geschäfts zu ("strenge Trennungstheorie"). Somit ergebe sich aus dem entgeltlichen Teil des Geschäfts stets ein gewisser Gewinnrealisierungsbetrag.

In der Literatur werden verschiedene Meinungen vertreten. Die wohl am häufigsten vertretene Form der modifizierten Trennungstheorie sei dadurch gekennzeichnet, dass in Fällen, in denen das Teilentgelt nicht nur unter dem Teilwert, sondern auch unter dem Buchwert des Wirtschaftsguts liege, der Buchwert dem entgeltlichen Teil des Geschäfts nur bis zur Höhe des Teilentgelts zugeordnet werde ("modifizierte Trennungstheorie mit anteiliger Zuordnung des Buchwerts bis zur Höhe des Teilentgelts"). Hier werde weder ein Gewinn noch ein Verlust realisiert.

Andere Autoren gehen hingegen von einer strengen Nichtaufteilbarkeit des Buchwerts aus und ordnen diesen ausschließlich dem entgeltlichen Teil des Geschäfts zu ("modifizierte Trennungstheorie mit Verlustbeitrag"). Bei einer Gegenleistung, die den Buchwert nicht erreicht, werde aus dem entgeltlichen Teil des Geschäfts ein Verlust realisiert, der allerdings durch einen Gewinn aus dem unentgeltlichen Teil des Geschäfts kompensiert werde.

Der vorlegende Senat halte an seiner im Beschluss über die Beitrittsaufforderung (vgl. BFH-Urteil vom 19.03.2014) geäußerten Auffassung fest, wonach die dogmatischen Argumente, die für die strenge Trennungstheorie sprechen, etwas höher zu gewichten seien als die für die denkbaren Gegenauffassungen sprechenden Erwägungen.

Die dargestellte "modifizierte Trennungstheorie mit Verlustbeitrag" sei schon deshalb abzulehnen, weil aus dem unentgeltlichen Teil des Übertragungsvorgangs ein Gewinn realisiert werde. Dies stehe indes in Widerspruch zum Wortlaut des § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG, wonach zwingend der Buchwert anzusetzen sei, "soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich ... übertragen werde".

Aber auch im Verhältnis zu der in der Literatur vertretenen "modifizierten Trennungstheorie mit anteiliger Zuordnung des Buchwerts bis zur Höhe des Teilentgelts" würde der vorlegende Senat der Verwaltungsauffassung den Vorzug geben.

Aus dem Gesetzeswortlaut folge allerdings noch kein Vorrang der einen oder der anderen Auffassung.

Betroffene Norm

§ 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG

Streitjahr 2005

Anmerkung

OFD Frankfurt am Main, Verfügung vom 21.03.2019, S 2241 A-117-St 213

Da das beim BFH anhängige Revisionsverfahren X R 28/12 sowie die diesbezügliche Vorlage an den Großen Senat des BFH (GrS 1/16) zwischenzeitlich ohne Entscheidung der vorgelegten Rechtsfrage beendet wurden, bittet die OFD Frankfurt am Main in ihrer Verfügung vom 21.03.2019 die Bearbeitung der bislang im Hinblick auf diese Verfahren ruhenden Rechtsbehelfsverfahren unter Beachtung der Verwaltungsauffassung in Tz. 15 des BMF-Schreibens vom 08.12.2011 wiederaufzunehmen. 

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.05.2012, 14 K 2982/10

Fundstellen

GrS, Beschluss vom 30.10.2018, GrS 1/16 

BFH, Beschluss vom 30.10.2018, X R 28/12 

BFH, Beschluss vom 27.10.2015, X R 28/12, BStBl II 2016, S. 81

Weitere Fundstellen

OFD Frankfurt am Main, Verfügung vom 21.03.2019, S 2241 A-117-St 213, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 19.03.2014, X R 28/12, siehe Deloitte Tax-News

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