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12.03.2015
Unternehmensteuer

BFH: Kein Abzug der tatsächlichen Werbungskosten bei Günstigerprüfung

Auch bei der sog. Günstigerprüfung und Anwendung des (niedrigeren) progressiven Regelsteuersatzes statt des Abgeltungsteuersatzes kommt ein Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten nicht in Betracht. Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG und das Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 EStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Sachverhalt

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2009 erklärte der Kläger Einnahmen aus Kapitalvermögen. Da der Steuersatz des Klägers deutlich unter dem Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent lag, berief sich der Kläger auf die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG und begehrte den vollen Werbungskostenabzug. Das Finanzamt erkannte als Werbungskosten lediglich den Sparer-Pauschbetrag an. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt.

Entscheidung

Das FG habe zu Unrecht § 32d Abs. 6 S. 1 EStG (Günstigerprüfung) dahingehend ausgelegt, dass die tatsächlich entstandenen Werbungskosten abzugsfähig seien, wenn der individuelle Steuersatz – bereits unter Berücksichtigung nur des Sparer-Pauschbetrags – unter 25 Prozent liege.

Nach § 32d Abs. 6 S. 1 EStG werden auf Antrag des Steuerpflichtigen die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte der tariflichen Einkommensteuer unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer einschließlich Zuschlagsteuern führt (Günstigerprüfung). Für diesen Ausnahmefall kommt dann nicht der für die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich anzuwendende Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent zur Anwendung (§ 32d Abs. 1 S. 1 EStG), sondern der progressive Regelsteuersatz.

Die Ermittlung der Kapitaleinkünfte sei auch bei der Günstigerprüfung - und damit auch im Streitfall - gemäß § 32d Abs. 6 S. 1 EStG nach § 20 EStG vorzunehmen. Damit finde auch im Falle der Günstigerprüfung die einschränkende Regelung zum Verbot des Abzugs der tatsächlich entstandenen Werbungskosten gemäß § 20 Abs. 9 S. 1 2. HS EStG Anwendung.

Es bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich § 32d Abs. 6 EStG. Da auch für diejenigen Steuerpflichtigen, die dem Abgeltungsteuersatz unterliegen, das in § 20 Abs. 9 EStG verankerte Abzugsverbot für die tatsächlich entstandenen Werbungskosten gelte, werden die Steuerpflichtigen, für die aufgrund der Günstigerprüfung der Regelsteuersatz zum Tragen komme, gegenüber den vom Abgeltungsteuersatz Betroffenen insoweit nicht schlechter gestellt. Es bestünden ebenfalls keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Werbungskostenabzugsverbots gemäß § 20 Abs. 9 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 01.07.2014).

Die Regelung stelle sich auch im Vergleich zu Steuerpflichtigen, die kraft Gesetzes oder aufgrund eigenen Antrags gemäß § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 4 EStG mit den dort geregelten Einkünften aus Kapitalvermögen von der Abgeltungsteuer ausgeschlossen seien und gemäß § 32d Abs. 2 S. 2 EStG ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen unter Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten ermitteln können, als verfassungsgemäß dar. Mit den vorstehend genannten Ausnahmen vom Abgeltungsteuersatz wolle der Gesetzgeber sog. "Mitnahmeeffekte" bzw. eine Überbesteuerung vermeiden (vgl. BFH-Urteil vom 28.01.2015). Die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG habe jedoch weniger den Charakter einer nach der Intention des Gesetzes zwingenden sachlichen Ausnahme von der Anwendung des Abgeltungsteuersatzes, sondern sei eher als Billigkeitsmaßnahme zu verstehen, mit der Steuerpflichtige, deren Steuersatz noch niedriger liege als 25 %, eine weitere Begünstigung erführen. Diese solle aber nicht dazu führen, dass die derart Begünstigten vollumfänglich aus dem System der Abgeltungsteuer ausscheideten.

Es sei in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, ob es sich im Streitfall um einen atypischen Extremfall handele, für den eine Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 AO in Betracht zu ziehen sei. Es werde jedoch darauf verwiesen, dass es keinen Anspruch auf "Meistbegünstigung" selbst gewählter Gestaltungen gebe.

Betroffene Norm

§ 20 Abs. 9 EStG, § 32d Abs. 6 EStG
Streitjahr 2009

Anmerkung
Der BFH hat mit Urteil vom 02.12.2014 entsprechend in einem ähnlichen gelagerten Fall entschieden. Er stellte außerdem klar, dass das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 S. 1 EStG auch dann Anwendung finde, wenn Ausgaben, die nach dem 31.12.2008 getätigt wurden, mit Kapitalerträgen zusammenhängen, die bereits vor dem 01.01.2009 zugeflossen sind (so auch BFH-Urteil vom 09.06.2015). Außerdem entschied der BFH nun mit Urteil vom 09.06.2015, dass das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 S. 1 EStG verfassungsgemäß ist.

Vorinstanz
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2012, 9 K 1637/10, EFG 2013, S. 1041, siehe Deloitte Tax-news

Fundstellen

BFH, Urteil vom 28.01.2015, VIII R 13/13
Pressemitteilung Nr. 20 vom 11.03.2015
siehe auch:
BFH, Urteil vom 02.12.2014, VIII R 34/13

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 09.06.2015, VIII R 12/14
BFH, Urteil vom 28.01.2015, VIII R 8/14
BFH, Urteil vom 01.07.2014, VIII R 53/12, BStBl II 2014, S. 975, siehe Deloitte Tax-News

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