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20.12.2012
Private Einkommensteuer

FG Düsseldorf: Nachträglicher Schuldzinsenabzug bei Option zur Regelbesteuerung

Mit Urteil vom 21.10.2014 hat der BFH das Urteil des FG Düsseldorf aufgehoben und entschieden, dass eine Option zur Regelbesteuerung dann nicht zulässig ist, wenn keine Kapitalerträge mehr zu erzielen bzw. zu erwarten sind.
BFH, Urteil vom 21.10.2014, VIII R 48/12, siehe Deloitte Tax-News
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FG Düsseldorf (Vorinstanz)
Schuldzinsen, die für Anschaffungskosten einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG anfallen, können nach Veräußerung, Auflösung oder Liquidation der Beteiligung als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden. Dies gilt insoweit, als die für die Anschaffung aufgewendeten Darlehen aus dem Veräußerungs- bzw. Liquidationserlös nicht hätten getilgt werden können. Ein solcher nachträglicher Werbungskostenabzug ist bei einer wesentlichen, mindestens 25%-igen Beteiligung auch nach Einführung der Abgeltungsteuer im Rahmen der Option zur Regelbesteuerung (§ 32d Abs. 2 Nr. 3a EStG) zulässig. Der lediglich pauschale Werbungskostenabzug (§ 20 Abs. 9 EStG) gilt für den Gesellschafter dann nicht.

Sachverhalt
Der Kläger war seit 2002 mit einer Stammeinlage von 37,5 % an einer GmbH beteiligt. Wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde 2007 im Handelsregister die Auflösung der GmbH eingetragen. Eine Löschung erfolgte nicht. Im Rahmen der Insolvenz wurde der Kläger aus einer für die GmbH geleisteten Bürgschaft in Anspruch genommen, deren Kosten das Finanzamt bei der Ermittlung des Aufgabeverlustes gem. § 17 EStG im VZ 2007 berücksichtigte.

Die Zahlung auf die Bürgschaft finanzierte der Kläger durch ein Darlehen, für das in den Streitjahren 2009 und 2010 Zinsen gezahlt wurden. Diese Zahlungen machte der Kläger unter Hinweis auf die Option zur Regelbesteuerung (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG) als (nachträgliche) Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 60 % (§ 3 Nr. 40 S. 1 i.V.m. § 3c Abs. 2 S. 1 EStG) geltend. Das Finanzamt (der Beklagte) berücksichtigte die Schuldzinsen bei der Veranlagung nicht, weil seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine wesentliche Beteiligung des Klägers mehr an der GmbH bestanden habe und deshalb nicht zur Regelbesteuerung optiert werden könne.

Entscheidung
Die Klage ist begründet und die geltend gemachten Schuldzinsen sind in den Streitjahren 2009 und 2010 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.

Mit der Entscheidung folgt das FG der neueren Rechtsprechung des BFH, wonach Schuldzinsen für die Finanzierung der Anschaffungskosten einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG, die auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, ab dem VZ 1999 wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden können (BFH-Urteil vom 16.03.2010). Voraussetzung ist, dass die zur Finanzierung der Anschaffungskosten aufgenommenen Verbindlichkeiten nicht aus dem Veräußerungs- oder Liquidationserlös zurückgeführt werden können.

Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt: Bei der Beteiligung des Klägers an der GmbH handelt es sich um eine wesentliche Beteiligung i.S.v. § 17 EStG. Die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft führt insoweit zu nachträglichen Anschaffungskosten (vgl. BFH-Urteil vom 06.07.1999) und mit Liquidationserlösen, aus denen das zur Ablösung der Bürgschaft aufgenommene Darlehen zurückgeführt werden könnte, ist nicht zu rechnen. 

Entgegen der Auffassung des Finanzamts, steht dem Abzug der Zinsen als Werbungskosten auch § 20 Abs. 9 EStG (Sparer-Pauschbetrag) nicht entgegen. Weiterhin sind die negativen Einkünfte, trotz § 20 Abs. 6 EStG, mit anderen Einkünften verrechenbar. Beide Vorschriften kommen nicht zur Anwendung, da der Steuerpflichtige gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG auf die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen verzichtet hat (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 2 EStG). Die Besteuerung erfolgt sodann nach dem (allgemeinen) Einkommensteuertaif gem. § 32a EStG. Nach der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG wird dem Gesellschafter wegen der Vergleichbarkeit einer wesentlichen Beteiligung (mindestens 25 %) mit einer Beteiligung im Betriebsvermögen die Wahl zwischen gesondertem Tarif mit pauschalem Werbungskostenabzug einerseits und der Anwendung des Teileinkünfteverfahrens, verbunden mit der Möglichkeit, Finanzierungsaufwendungen auch oberhalb des Sparerpauschbetrages geltend zu machen (Regelbesteuerung), andererseits eröffnet. 

Der Kläger war in den Streitjahren zur Ausübung der Option zur Regelbesteuerung berechtigt, weil er wesentlich i.S.v. § 32d Abs. 2 Nr. 3a EStG an der GmbH beteiligt war. Da die GmbH im Handelsregister noch nicht gelöscht wurde, bestand die Beteiligung trotz Eröffnung des Insolvenzverfahren und der Auflösung fort (§ 66 GmbHG). Der Ausübung der Option stand auch nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger im Jahr der Option keine Erträge mehr aus der Beteiligung erzielte oder erwartete, da das Gesetz solche Einnahmen nicht verlangt (vgl. auch BMF-Schreiben vom 22.12.2009, Tz. 143). Dies geht darüber hinaus aus der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG hervor, wonach es nicht mit dem Gesetzeszweck in Einklang stünde, einen Gesellschafter, der eine aufgrund der Wesentlichkeit als „unternehmerisch“ zu qualifizierende Beteiligung innehat, auf den beschränkten Werbungskostenabzug des § 20 Abs. 9 EStG zu verweisen, weil die Einnahmen aus der Beteiligung vor Einführung der Abgeltungssteuer zugeflossen sind.

Betroffene Norm  
§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG, § 17 EStG, § 20 Abs. 6 und Abs. 9 EStG
Streitjahre 2009 und 2010

Fundstellen
BFH, Urteil vom 21.10.2014, VIII R 48/12, siehe Deloitte Tax-News
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 04.10.2012, 12 K 993/12 E

Weitere Fundstellen
BFH-Urteil vom 16.03.2010, VIII R 20/08, BFH/NV 2010, S. 1795, siehe Deloitte Tax-News
BFH-Urteil vom 06.07.1999, VIII R 9/98, BStBl. II 1999, S. 816
BMF, Schreiben vom 22.12.2009, BStBl I 2010, S. 94

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