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15.04.2011
Private Einkommensteuer

BFH: Zum wirtschaftlichen Eigentum in logischer Sekunde

Sachverhalt

Mit notariellem Vertrag vom 15.10.1999 erwarb der Kläger und Revisionskläger (Kläger) einen Anteil von 15 % an der TTM-GmbH. Bereits tags zuvor, am 14.10.1999, hatten die Kläger (der Kläger und seine Ehefrau) privatschriftlich einen "Unterbeteiligungsvertrag" betreffend die (zu erwerbende) Beteiligung des Klägers an der TTM-GmbH geschlossen. Danach wurde ein atypisches "Unterbeteiligungsverhältnis" der Klägerin an dem Geschäftsanteil (15 %) des Klägers in Höhe von 5,1 % des Stammkapitals der TTM-GmbH begründet. In 2001 veräußerte der Kläger seine Beteiligung an der TTM-GmbH. Diesen Vorgang erfasste das Finanzamt als Veräußerungsgewinn (§ 17 EStG). Dem hiergegen eingelegten Einspruch der Kläger wurde mit Einspruchsentscheidung insoweit entsprochen, als unter Anerkennung des Unterbeteiligungsvertrages mit der Klägerin dem Kläger nunmehr ein entsprechend geringerer Veräußerungsgewinn zugerechnet und der der Klägerin zuzurechnende Anteil nicht der Besteuerung unterworfen wurde. Das Finanzamt vertrat aber weiterhin die Ansicht, dass der Kläger in seiner Person eine wesentliche Beteiligung erworben und veräußert habe. Dem widerspricht der Kläger. Vor Erwerb des 15%igen GmbH-Geschäftsanteils sei das Unterbeteiligungsverhältnis mit der Klägerin geschlossen worden, so dass er zu keinem Zeitpunkt zu 10 % oder mehr am Stammkapital der TTM-GmbH beteiligt gewesen sei. Das FG wies die Klage ab.

Entscheidung

Das FG hat den Gewinn aus der Veräußerung des Geschäftsanteils des Klägers an der TTM-GmbH zu Unrecht der Besteuerung unterworfen. Die Anteilshöhe einer wesentlichen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG bestimmt sich nach der im Zeitpunkt der Veräußerung geltenden Gesetzeslage. Im Streitjahr 2001 ist eine wesentliche Beteiligung gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 S. 4 EStG). Auch ein nur kurzfristiges Innehaben der wesentlichen Beteiligung in Gestalt eines Durchgangs-Erwerbs oder einer sog. logischen Sekunde kann u.U. ausreichen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.05.2005). Allerdings hat ein zivilrechtlicher Durchgangserwerb nicht zwingend auch einen steuerrechtlichen Durchgangserwerb in Gestalt des Innehabens wirtschaftlichen Eigentums in der Person des zivilrechtlichen Durchgangserwerbers zur Folge; vielmehr ist die steuerrechtliche Frage nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zu beurteilen.

Notwendige und hinreichende Voraussetzung für die Zurechnung einer (weiterveräußerten) Beteiligung i.S. des § 17 EStG ist das (zumindest) wirtschaftliche Eigentum. Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO), wenn der Käufer des Anteils (1) aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und (2) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen (Verwaltungs- und Vermögens-)Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie (3) Risiko und Chance von Wertveränderungen auf ihn übergegangen sind (vgl. BFH-Urteile vom 11.07.2006 und vom 09.10.2008). Bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums ist nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend (vgl. BFH-Urteile vom 11.07.2006 und vom 09.10.2008).

Diese Grundsätze zugrundelegend hatte der Kläger zu keinem Zeitpunkt das wirtschaftliche Eigentum an dem hier maßgeblichen (Teil seines) GmbH-Anteil (5,1 %) inne, vielmehr stand das wirtschaftliche Eigentum daran mit dem Erwerb durch den Kläger direkt der Klägerin zu. Denn unbeschadet eines möglichen zivilrechtlichen Durchgangserwerbs war der Kläger zu keinem Zeitpunkt - auch nicht für eine logische Sekunde - wirtschaftlicher Inhaber der (Unter-)Beteiligung. Die logische Sekunde ist nur eine gedankliche Hilfskonstruktion zur Prioritätsbestimmung (für gleichzeitig stattfindende Vorgänge) und kein realer Zeitpunkt oder Zeitabschnitt. Kommt es - wie im Einkommensteuerrecht - entscheidend auf das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte an, also auf konkrete tatsächliche Umstände, so ist eine - nicht reale - logische Sekunde für die Feststellung wirtschaftlichen Eigentums unerheblich. Der Kläger war danach innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der TTM-GmbH nicht wesentlich i.S. des § 17 Abs. 1 EStG beteiligt, so dass der Gewinn aus der Veräußerung seines (gesamten) GmbH-Anteils nicht der Besteuerung unterliegt.

Betroffene Norm

§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 17 Abs. 1 EStG
Streitjahr 2001

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, Urteil vom 03.06.2008, 1 K 1712/04, EFG 2009, S. 932

Fundstelle

BFH, Urteil vom 26.01.2011, IX R 7/09, BStBl II 2011, S. 540 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 18.05.2005, VIII R 34/01, BStBl II 2005, S. 857
BFH, Urteil vom 11.07.2006, VIII R 32/04, BStBl II 2007, S. 296
BFH, Urteil vom 09.10.2008, IX R 73/06, BStBl II 2009, S. 140

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