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09.12.2011
Private Einkommensteuer

BFH: Kein Gestaltungsmissbrauch bei Einbringung privat veranlasster Verbindlichkeiten

Bringt ein Gesellschafter ein Mietgrundstück in eine vermögensverwaltende Personengesellschaft ein und die Personengesellschaft übernimmt als Gegenleistung sein ursprünglich privat veranlasstes Darlehen, so liegt der Grund für die Schuldübernahme im steuerrechtlich bedeutsamen Bereich der Einkünfteerzielung (Vermietung). Diese Gestaltung ist nicht rechtsmissbräuchlich. Die Schuldübernahme führt zu (anteiligen) Anschaffungskosten und abzugsfähigen Schuldzinsen.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GbR, an der M mit 10 % und seine Ehefrau F mit 90 % beteiligt sind. Zweck der GbR ist die Vermietung eines Mehrfamilienhauses, das M zuvor in die GbR eingebracht hat. Als Gegenleistung hat die Klägerin u.a. die Zins- und Tilgungsverpflichtungen aus Darlehen übernommen, die M ursprünglich zur Finanzierung des selbstgenutzten Einfamilienhauses aufgenommen hatte. 

Die Klägerin behandelte im Rahmen der Steuererklärungen für die Streitjahre (2003 und 2004) die Schuldübernahme als teilentgeltlichen Anschaffungsvorgang der Gesellschafterin F und machte Abschreibungen und Schuldzinsen geltend. Das Finanzamt sah in Bezug auf die Darlehen keinen Anschaffungsvorgang, kürzte dementsprechend die Anschaffungskosten sowie die als Werbungskosten geltend gemachten Schuldzinsen. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Verlagerung von privat veranlassten Aufwendungen in die Klägerin sei rechtsmissbräuchlich.

Entscheidung

Entgegen der Auffassung des FG kann die Klägerin die Schuldzinsen für die ursprünglich privat veranlassten Darlehen sowie die mit der Übernahme dieser Darlehen als Anschaffungskosten im Zusammenhang stehenden höheren AfA-Beträge als Werbungskosten absetzen.

Schuldzinsen können als Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abgezogen werden, wenn sie durch sie veranlasst sind (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EStG). Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind im Rahmen der AfA zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG). Zu den Anschaffungskosten gehört auch die Übernahme von Verbindlichkeiten des Veräußerers (vgl. BFH-Urteil vom 06.09.2006). Wird ein Grundstück gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in eine vermögensverwaltende Personengesellschaft mit Vermietungseinkünften eingebracht, so liegen Anschaffungsvorgänge insoweit vor, als sich die nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO zuzurechnenden Anteile der Gesellschafter an dem Grundstück gegenüber den bisherigen Beteiligungsquoten erhöht haben (s. BFH-Urteile vom 02.04.2008 und 06.10.2004).

F ist an der Klägerin zu 90 % beteiligt, demnach ist ihr auch das Grundstück zu 90 % zuzurechnen und es liegt ein Anschaffungsvorgang vor. Die von der Klägerin übernommenen Verbindlichkeiten sind F ebenfalls zu 90 % zuzuordnen und stellen für sie Anschaffungskosten dar. Dies gilt auch für die Darlehen, die M zunächst aufgenommen hatte, um das privat genutzte Einfamilienhaus zu finanzieren. Es kommt nicht darauf an, ob die Darlehen bei ihrer Aufnahme in den steuerrechtlich unerheblichen Bereich des Privatvermögens fielen, so dass Schuldzinsen daraus mangels Zusammenhangs mit einer Einkunftsart nicht abziehbar waren. Denn diese Verknüpfung hat sich mit der Übernahme der Verbindlichkeiten durch die Klägerin gelöst. Steuerrechtlich kommt es allein auf den „Grund der Übernahme“ an. Liegt dieser im steuerrechtlich bedeutsamen Bereich der Einkünfteerzielung, so liegt dort auch der Zweck der übernommenen Verbindlichkeiten. Das ist nicht anders zu beurteilen als in den Fällen, in denen der Erwerber ein eigenes Darlehen aufnimmt, um damit die Verbindlichkeiten aus den Darlehen des Veräußerers abzulösen. So hätte die Klägerin ein (der F zu 90 % zurechenbares) Darlehen aufnehmen können, um damit die Bankverbindlichkeiten des M abzulösen. Die ursprünglich privat veranlassten Verbindlichkeiten wurden übernommen, um das Mehrfamilienhaus anzuschaffen und stehen nun in einem Veranlassungszusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Entgegen der Auffassung des FG liegt in der Einbringung der Darlehen in die Klägerin kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 Abs. 1 S. 1 AO). M stand es frei, ob, wann und an wen er sein Grundstück veräußert. Als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks übernahm die Klägerin Verbindlichkeiten des M. Hierin liegt der wirtschaftlich beachtliche Grund. Es bleibt den Vertragsparteien überlassen, wie sie die Gegenleistung erbringen. Es geht nicht um eine Verlagerung von privat veranlassten Aufwendungen auf die Klägerin, sondern um eine „Überlagerung der Zwecksetzung“ des zunächst aus privaten Gründen aufgenommenen und verwendeten Darlehens durch einen neuen, nunmehr steuerrechtlich bedeutsamen (Veranlassungs-)Zusammenhang, indem die Klägerin das Darlehen als Gegenleistung übernimmt und es bei ihr zu Anschaffungskosten für ein von ihr erworbenes und der F zu 90 % zuordenbares Grundstück wird.

Betroffene Norm

§ 9 Abs. 1 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 42 Abs. 1 S. 1 AO
Streitjahre 2003 und 2004

Vorinstanz

Finanzgericht Münster, Urteil vom 01.10.2010, 11 K 3216/06 F

Fundstelle

BFH, Urteil vom 18.10.2011, IX R 15/11, BStBl II 2012, S. 205 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 06.09.2006, IX R 25/06, BStBl II 2007, S. 265
BFH, Urteil vom 02.04.2008, IX R 18/06, BStBl II 2008, S. 679
BFH, Urteil vom 06.10.2004, IX R 68/01, BStBl II 2005, S. 324

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