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09.05.2016
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH: Steuerentlastung für Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck – Ist die Begünstigung thermischer Abluftbehandlung unionsrechtswidrig?

Der EuGH hatte zu entscheiden, ob Erdgas, das zur thermischen Abluftbehandlung verbrannt wurde, ein Energieerzeugnis mit zweierlei Verwendungszweck im Sinne der Energiesteuer-Richtlinie sei. Er präzisierte seine bisherige Rechtsprechung und verneinte dies im konkreten Fall. Als Folge stellt sich die Frage, ob § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG unionsrechtswidrig ist.

Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Fall stellte der Kläger Ammoniak her. Bei diesem Prozess entstanden toxische Gase: einmal sog. Armgas (eine Mischung aus verschiedenen brennbaren und nicht-brennbaren Gasen) und mit Methanolspuren durchsetztes Kohlendioxid. Dem Armgas wurde Erdgas hinzugefügt und beides wurde in einem „Dampfüberhitzer“ verbrannt. Dieses Verbrennen diente drei Zwecken: Erstens, Dampf zu trocknen und zu überhitzen; zweitens, das im Kohlendioxid enthaltene Methanol zu zersetzen; und drittens, durch einen hinreichend starken Kaminzug die nicht-brennbaren Anteile und die Verbrennungsrückstände entsorgen zu können.

Der Kläger beantragte gem. § 51 Absatz 1 Nr. 2 EnergieStG die Entlastung von der Energiesteuer auf das Erdgas, das er dem Armgas im Dampfüberhitzer hinzugefügt und (mit-)verbrannt hatte, da es sich um einen Fall thermischer Abluftbehandlung gehandelt hätte. Das FG Hamburg bestätigte diese Betrachtung grundsätzlich. Es war sich jedoch nicht sicher, wie die Entlastungsnorm im Lichte des unionsrechtlichen Besteuerungsgebotes in Art. 1 Energiesteuer-Richtlinie auszulegen sei. Es legte dem EuGH die Frage vor, ob das zugeführte Erdgas durch den Einsatz zur thermischen Abluftbehandlung zweierlei Verwendungszweck erhielt und somit die Ausnahme des Art. 2 Absatz 4 lit. b 2. Anstrich Energiesteuer-Richtlinie vorliege. Zweierlei Verwendungszweck hat ein Energieerzeugnis nämlich immer dann, wenn es sowohl als Heizstoff als auch für andere Zwecke als Heiz- oder Kraftstoff verwendet wird.

Entscheidung

Der EuGH hatte in einer früheren Entscheidung vom 02.10.2014 (C-426/12) den Begriff „zweierlei Verwendungszweck“ in folgender Konstellation bejaht: Ein Energieerzeugnis wird in einem Herstellungsprozess verbrannt und das durch die Verbrennung entstehende Zwischenprodukt wird zwingend für die Herstellung benötigt und kann anderweitig nicht hergestellt werden. In diesem Fall wird das Energieerzeugnis sowohl als Heizstoff als auch als Ausgangstoff für das zwingend erforderliche Zwischenprodukt verwendet.

Im zugrunde liegenden Fall wurde für die Herstellung des Ammoniaks lediglich der getrocknete und überhitzte Dampf gebraucht. Das zusätzliche Verbrennen von Erdgas war nur notwendig, um innerhalb des Kaminzuges die umweltrechtlich vorgeschriebene Mindesttemperatur zu erreichen. Für die Dampftrocknung und die Zersetzung des Methanols hingegen hätte das Armgas allein ausgereicht.

Folglich verneinte der Gerichtshof hier zweierlei Verwendungszweck des Erdgases. Zwar sei der getrocknete und überhitzte Dampf für die Herstellung des Ammoniaks verwendet worden, jedoch sei der Vorlageentscheidung nicht zu entnehmen, ob dieser Dampf für den Herstellungsprozess zwingend notwendig gewesen sei. Dies habe aber im konkreten Fall offen bleiben können, da der Dampf jedenfalls schon kein Stoff gewesen sei, der nur durch die Verbrennung des Erdgases hätte erzeugt werden können. Denn dies sei ebenfalls durch das schon vorhandene Armgas allein möglich gewesen.

Betroffene Norm

§ 51 Absatz 1 Nr. 2 EnergieStG
Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe b 2. Anstrich RL 2003/96

Anmerkungen

Der EuGH hat mit seiner jüngsten Entscheidung die Auslegung des Merkmals „zweierlei Verwendungszweck“ weiter präzisiert.

Gefestigt ist nun, dass ein solcher nicht nur in denjenigen Fällen vorliegt, in denen die Erzeugung thermischer Energie gegenüber der Funktion als Roh-, Grund- oder Hilfsstoff im Rahmen eines industriellen Prozesses oder Verfahrens in den Hintergrund tritt; sondern auch dann zu bejahen ist, wenn das Energieerzeugnis im Rahmen eines Herstellungsprozesses verbrannt wird und dieser Prozess nicht ohne einen Stoff durchgeführt werden kann, der nur durch die Verbrennung des Energieerzeugnisses erzeugt werden kann.

Der Gerichtshof wiederholte obiter dictum auch, dass ein Stoff, der bei der Verbrennung des Energieerzeugnisses entsteht und nicht für den Prozess notwendig ist, sondern als Rückstand dieses Prozesses lediglich verwertet wird, nicht zu einer „dual-use-Verwendung“ des Energieerzeugnisses führt. Damit wird zudem deutlich, dass nach dem EuGH bei der Verbrennung des betreffenden Energieerzeugnisses die verschiedenen Prozesse des Gesamtgeschehens nicht einheitlich, sondern getrennt voneinander zu betrachten sind.

Als Folge dieses Urteils stellt sich weiter die Frage, ob die Entlastungsnorm des § 51 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG wegen Verstoßes gegen die Energiesteuer-Richtlinie rechtswidrig ist. Der EuGH hat sich dazu in Ermangelung einer konkreten diesbezüglichen Vorlagefrage nicht grundsätzlich geäußert. In der Literatur wird die Rechtmäßigkeit der Entlastungsvorschrift angezweifelt. Dies erscheint im Hinblick sowohl auf ihren Wortlaut („thermische“) als auch die Existenz und Formulierung von § 51 Abs. 1 Nr.1 Buchstabe d EnergieStG als überzeugend. Denn eine Steuerentlastung wird vom Gesetz bereits dann gewährt, wenn für die Behandlung von Abluft allein die freigesetzte thermische Energie genutzt wird. Dies widerspricht der Richtlinie jedoch dann, wenn diese thermische Nutzung zur Abluftbehandlung nicht als zweiter Verwendungszweck im Rahmen eines doppelten Verwendungszweckes angesehen werden kann. Langfristig wird wohl mit einer Gesetzesänderung in diesem Zusammenhang zu rechnen sein.

Vorinstanz

FG Hamburg, Beschluss vom 03.07.2014, 4 K 131/12, ZfZ Beilage 2015, Nr. 1, 11

Fundstelle

EuGH Beschluss vom 17.12.2015, C-529/14, ZfZ 2016, Nr. 4, 99-103

Weitere Fundstellen

EuGH, Urteil vom 02.10.2014, C-426/12, EnWZ 2015, 22

Ihr Ansprechpartner

Bettina Mertgen
Director

BMertgen@deloitte.de
Tel.: 069 75695-6321

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