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21.11.2012
Indirekte Steuern/Zoll

Änderungen des Energie- und Stromsteuergesetzes: Bundestag verabschiedet Gesetz

Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 08.11.2012 mit den Stimmen der Koalition den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes nach 3. Beratung angenommen. Der Bundestag ist der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drs. 17/11387) gefolgt.

Neuregelungen zum Spitzenausgleich ab dem 01.01.2013 weitgehend unverändert übernommen

Der Bundestag hat die im Entwurf des Bundesregierung enthaltenen Neuregelungen zum Spitzenausgleich (vgl. Deloitte Tax-News vom 01.08.2012 und Deloitte Tax-News vom 05.10.2012) weitgehend übernommen. Neben redaktionellen Änderungen hatte der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages die Zielwerte für die zu erreichende Reduzierung der Energieintensität für die Jahre 2019-2022 wie folgt empfohlen.

Antragsjahr Bezugsjahr Zielwert
2015 2013 1,30 %
2016 2014 2,60 %
2017 2015 3,90 %
2018 2016 5,25 %
2019 2017 6,60 %
2020 2018 7,95 %
2021 2019 9,30 %
2022 2020 10,65 %

Der Entwurf der Bundesregierung sah noch eine Fortschreibung der Zielwerte lediglich bis zum Jahr 2018 vor. Die Festlegung der gesetzlichen Zielwerte auch für die Jahre 2019 bis 2022 stellt sicher, dass die beihilferechtlichen Voraussetzungen im Rahmen der Genehmigung durch die EU-Kommission bereits für die gesamte Laufzeit von zehn Jahren abschließend geprüft werden können. Die empfohlenen Zielwerte wurden nunmehr vom Bundestag sowohl für den Spitzenausgleich § 55 EnergieStG als auch für den Spitzenausgleich nach § 10 StromStG übernommen.

Im Übrigen hatte der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages weitere Empfehlungen ausgesprochen, denen der Bundestag vollumfänglich gefolgt ist. Die Einzelheiten dazu möchten wir Ihnen nachfolgend näher erläutern.

Neuregelung der Steuerentlastung für KWK-Anlagen

Eine Neuregelung der Steuerentlastung für KWK-Anlagen war notwendig geworden, da die bisherige Steuerentlastung für kleine KWK-Anlagen von der Europäischen Kommission nur bis zum 31.03.2012 genehmigt wurde. Das Bundesministerium der Finanzen hatte mit Schreiben vom 30.03. 2012 einen vorläufigen Bearbeitungs- und Auszahlungsstopp für Steuerentlastungen für kleine KWK-Anlagen für Erstattungszeiträume nach dem 31.03.2012 verfügt.

Durch die beschlossenen Änderungen wurden die bisherigen energiesteuerlichen Regelungen für KWK-Anlagen (§ 3 und § 53 EnergieStG) komplett überarbeitet und neu gefasst. Während in § 3 EnergieStG n.F. Begrifflichkeiten vertieft erläutert werden, wurde der Anwendungsbereich des § 53 EnergieStG auf die Entlastung beim Einsatz von Energieerzeugnissen zur Stromerzeugung begrenzt und mit §§ 53a und 53b EnergieStG zwei neue Tatbestände für eine vollständige bzw. teilweise Steuerentlastung für den Verbrauch in KWK-Anlagen in Abhängigkeit von deren Effizienz geschaffen.

Eine vollständige Steuerentlastung wird nach § 53a EnergieStG nur noch für hocheffiziente KWK-Anlagen gewährt, die gleichzeitig einen Jahres- oder Monatsnutzungsgrad von mindestens 70 % erreichen. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ist eine Anlage hocheffizient, die

  1. die Kriterien des Anhangs III der Richtlinie 2004/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über die Förderung einer am Nutzwärmebedarf orientierten Kraft-Wärme-Kopplung im Energiebinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 92/42/EWG (ABl. L 52 vom 21.2.2004, S. 50, L 192 vom 29.5.2004, S. 34), die durch die Verordnung (EG) Nr. 219/2009 (ABl. L 87 vom 31.3.2009, S.109) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und 
  2. die harmonisierten Wirkungsgrad- Referenzwerte der Entscheidung 2007/74/EG der Kommission vom 21. Dezember 2006 zur Festlegung harmonisierter Wirkungsgrad- Referenzwerte für die getrennte Erzeugung von Strom- und Wärme in Anwendung der Richtlinie 2004/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 32 vom 6.2.2007, S. 183), in der jeweils geltenden Fassung

erfüllt. Beide Kriterien müssen kumulativ vorliegen.

Ferner sehen die Neuregelungen aufgrund der Vorgaben des EU-Beihilferechts eine zeitliche Begrenzung der Steuerentlastung bis zur vollständigen Absetzung für Abnutzung der Hauptbestandteile der Anlage (Gasturbine, Motor, Dampferzeuger, Dampfturbine, Generator und Steuerung) entsprechend den Vorgaben des § 7 des Einkommensteuergesetzes, also der amtlichen AfA-Tabellen, vor, um eine unangemessen lange Förderung zu vermeiden und eine der Voraussetzungen des EU-beihilferechts zu erfüllen.

Für den Fall, dass Hauptbestandteile der Anlage durch neue Hauptbestandteile ersetzt werden, verlängert sich die vorgenannte Frist bis zur vollständigen Absetzung für Abnutzung der neu eingefügten Hauptbestandteile vorausgesetzt, die Kosten der Erneuerung betragen mindestens 50 % der Kosten für die Neuerrichtung der Anlage. Klarstellend enthält § 53 Absatz 6 EnergieStG eine Regelung, wonach Steuerentlastung nur nach Maßgabe und nur bis zum Auslaufen der hierfür erforderlichen beihilferechtlichen Genehmigung der europäischen Kommission gewährt wird.

Für die Anlagen, die das Hocheffizienzkriterium des 53a Abs. 1 Nummer 1 EnergieStG nicht erfüllen, sieht § 53b EnergieStG n.F. eine teilweise Steuerentlastung vor, wenn der Monat- oder Jahresnutzungsgrad von mindestens 70 % erreicht wurde. Die Höhe der Steuerentlastungen ist zukünftig davon abhängig, ob und welche Energieerzeugnisse zur gekoppelten Erzeugung von Kraft und Wärme in ortsfesten Anlagen oder zum Antrieb von Gasturbinen und Verbrennungsmotoren in begünstigten Anlagen zur gekoppelten Erzeugung von Kraft und Wärme nach § 3 EnergieStG verheizt worden sind. Ferner sehen die Neuregelungen teilweise höhere Steuerentlastungsbeträge für Unternehmen des produzierenden Gewerbes vor.

Die Höhe der Steuerentlastungen nach § 53b EnergieStG stellen sich wie folgt dar:

Steuerentlastung nach    
§ 53b Absatz 2 EnergieStG § 53b Absatz 3 EnergieStG § 53b Absatz 5 EnergieStG
Energieerzeugnisse Verheizen in ortsfesten Anlagen Verheizen von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes in ortsfesten Anlagen Verwendung zum Antrieb von Gasturbinen / Verbrennungsmotoren oder in begünstigten KWK-Anlagen nach § 3 EnergieStG
§ 2 Absatz 3 S 1 Nr. 1 EnergieStG: Gasöle (pro 1.000 Liter) 40,35 Euro   40,35 Euro
§ 2 Absatz 3 S 1 Nr. 2 EnergieStG: Heizöle (pro 1.000 Kilogramm) 10,00 Euro   10,00 Euro
§ 2 Absatz 3 S 1 Nr. 3 EnergieStG: Schmieröle (pro 1.000 Kilogramm) 40,35 Euro   40,35 Euro
§ 2 Absatz 3 S 1 Nr. 4 EnergieStG: Erdgas (pro 1 MWh) 4,42 Euro 4,96 Euro 4,42 Euro
§ 2 Absatz 3 S 1 Nr. 5 EnergieStG: Flüssiggas (pro 1.000 Kilogramm) 60,60 Euro   19,60 Euro
§ 2 Absatz 1 Nr. 9 EnergieStG: Kohle (pro 1 Gigajoule)   0.16 Euro 0.16 Euro
§ 2 Absatz 1 Nr. 10 EnergieStG: Petrolkoks (pro 1 Gigajoule) 0.16 Euro   0.16 Euro
§ 2 Absatz 4a EnergieStG: kohlenwasserstoffhaltige Abfälle (pro 1 Gigajoule) 0.16 Euro   0.16 Euro

Die teilweise Steuerentlastung nach § 53b Absatz 1 und 4 EnergieStG wird gewährt nach Maßgabe und bis zum Auslaufen der hierfür erforderlichen Freistellungsanzeige bei der Europäischen Kommission nach der Verordung (EG) Nr. 800/2008. § 53 EnergieStG, § 53a EnergieStG und § 53b EnergieStG gelten rückwirkend zum 01.04.2012. Einzelheiten betreffend beispielsweise die Ermittlung der Hocheffizienzkriterien, der Abschreibungskriterien, zur Berechnung und zum Nachweis des Nutzungsgrads und zu Nachweispflichten sollen in der Energiesteuer-Durchführungsordnung geregelt werden.

Anwendung des EMCS-Verfahrens auf Additive

Durch Änderungen des Energiesteuergesetzes werden die europäischen Vorgaben der Anwendung des sogenannten EMCS-Verfahrens auf Additive der Unterpositionen 3811 11 10, 3811 11 90, 3811 19 00 und 3811 90 00 der Kombinierten Nomenklatur in nationales Recht umgesetzt. Damit unterliegen die vorgenannten Additive ab dem 01.01.2013 den Kontroll- und Beförderungsbestimmungen der Richtlinie 2008/118/EG.

Gewerbliche Schifffahrt kann zukünftig verflüssigtes Erdgas steuerfrei beziehen

Verflüssigtes Erdgas (liquefied natural gas - LNG) wird in der Schifffahrt zunehmend als Kraftstoff eingesetzt, da sich im Verglich zu herkömmlichem Schweröl die Schwefel- und Partikel-Emissionen sowie der Stickoxid-Ausstoß signifikant verringern lassen. Bisher konnten Reeder eine steuerliche Begünstigung von LNG nur über eine nachträgliche Steuerentlastung erlangen. Um eventuell bestehende Wettbewerbsnachteile gegenüber den bestehenden Versorgungsmöglichkeiten mit steuerfreiem LNG in anderen EU-Mitgliedstaaten zu vermeiden, kann LNG – ebenso wie andere Schiffskraftstoffe – zukünftig bereits steuerfrei bezogen werden, sofern das verflüssigte Erdgas in Wasserfahrzeugen für die gewerbliche Schifffahrt eingesetzt wird. Die Erweiterung der Regelungen des steuerfreien Bezugs auf LNG bedeutet für die Lieferer von LNG eine Stärkung des Standorts Deutschland und für die Reeder ein Liquiditätsvorteil. Nicht zuletzt kann durch diese auch aus umweltpolitischen Aspekten zu begrüßende Regelung administrativer Aufwand sowohl für die Betreiber von Schiffen als auch für die Hauptzollverwaltung vermieden werden.

Weiteres Gesetzgebungsverfahren

Der Bundesrat wird sich in seiner Sitzung am 23.11.2012 mit den Neuregelungen befassen. Der federführende Finanzausschuss und der Verkehrsausschuss haben dem Bundesrat empfohlen, den Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht anzurufen. Da gegenteilige Äußerungen aus der Länderkammer unsererseits nicht bekannt sind, ist damit zu rechnen, dass die Änderungen unverändert zum 01.01.2013 bzw. zu den jeweils definierten Zeitpunkten (siehe zum Beispiel §§ 53 ff. EnergieStG n.F.) in Kraft treten.

Schlussfolgerungen und Praxisempfehlung

Für die Praxis wäre es wünschenswert, wenn zeitnah die Ausführungsbestimmungen in der Energie- und Stromsteuer-Durchführungsverordnung erlassen werden. Die Unternehmen sind auf Rechts- und Planungssicherheit angewiesen, sie müssen ihre internen Prozesse einrichten. Ihre unternehmerischen Entscheidungen orientieren sich an den geänderten Rahmenbedingungen. Die Änderungen des Energie- und Stromsteuergesetzes sind dabei nur ein Anfang. Detailfragen sind weiterhin offen und klärungsbedürftig. Dennoch empfehlen wir den betroffenen Unternehmen, sich bereits jetzt mit den Neuregelungen zu beschäftigen, um die energie- und stromsteuerlichen Pflichten zu erfüllen und die sich aufgrund der Neuregelung ergebenden Ansprüche optimal auszuschöpfen. 

Bei dieser Gelegenheit halten wir es für sinnvoll, auch die bisher geltend gemachten Steuerentlastungsansprüche auf den Prüfstand zu stellen. Nicht selten kommt es in der Praxis vor, dass nicht alle Steuerentlastungsmöglichkeiten, die das Energie- und Stromsteuergesetz eröffnet, vollumfänglich ausgeschöpft werden. Dies bedeutet für die betroffenen Unternehmen eine zusätzliche Belastung mit Energiekosten, die durch genauere Kenntnis sowohl der im Unternehmen implementierten Prozesse als auch der steuerlichen Rahmenbedingungen vermieden werden kann.

Fundstelle

Bundestag, Gesetzesbeschluss vom 08.11.2012, BR-Drs. 688/12

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