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11.01.2018
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BFH: Keine GrESt wg. mittelbarer Änderung des Gesellschafterbestands bei Vollmachtserteilung

Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2a GrEStG kann nicht durch die bloße Einräumung einer umfassenden, unwiderruflichen Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil herbeigeführt werden. Eine wirtschaftliche Anteilszurechnung ist nicht anzunehmen, da die wesentlichen Rechte des Gesellschafters, nämlich insbesondere die Stimmrechte und das Gewinnstammrecht mit der Vollmachterteilung gerade nicht auf den Bevollmächtigten übergehen.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine grundbesitzende GmbH & Co. KG, deren alleinige Kommanditistin im April 2005 94% ihrer Gesellschaftsanteile auf A und B unter verschiedenen aufschiebenden Bedingungen, u.a. der Eintragung der Käufer als neue Kommanditisten im Handelsregister (März 2006), übertrug. Zudem erteilte die KG im Mai 2005 den beiden Erwerbern jeweils einzeln und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB eine umfassende, unbefristete, unwiderrufliche sowie auch etwaige Rechtsnachfolger bindende Vollmacht.

Das Finanzamt war der Ansicht, dass der Veräußerungsvorgang grunderwerbsteuerpflichtig sei, da es sich bei der Veräußerung i.V. mit der Vollmachtserteilung um eine steuerpflichtige Änderung im Gesellschafterbestand der Klägerin nach § 1 Abs. 2a GrEStG handele (Veränderung des Gesellschafterbestands um 100 %: mittelbar 6 % wg. Vollmachterteilung, unmittelbar 94 % wg. Abtretung der Kommanditanteile). Das FG wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab.

Entscheidung

Die Erteilung der Vollmachten habe entgegen der Auffassung des FG nicht zu einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes der Klägerin geführt.

Die Änderung des Gesellschafterbestandes nach § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG kann in einem einzelnen Rechtsvorgang oder in Teilakten über einen Zeitraum von längstens fünf Jahren erfolgen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 16.05.2013, vom 09.07.2014 und vom 25.11.2015). Eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes liegt vor, wenn ein Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft zivilrechtlich wirksam auf ein neues Mitglied der Personengesellschaft übergeht (vgl. BFH-Urteile vom 16.01.2013, vom 24.04.2013 und vom 25.09.2013). Relevant ist hier somit die dingliche Änderung des Gesellschafterbestandes und nicht der schuldrechtliche Abschluss des Rechtsgeschäfts (anders als bei § 1 Abs. 3 GrEStG).

Mit Erfüllung der aufschiebenden Bedingungen am 07.03.2006 sind 94 % der Gesellschaftsanteile unmittelbar auf neue Gesellschafter übergegangen. Eine weitere mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes in Höhe von 6 % sind nach Auffassung des BFH nicht anzunehmen.

Die Beurteilung einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG erfolgt – im Gegensatz zur unmittelbaren Änderung – nach der BFH-Rechtsprechung ausschließlich nach wirtschaftlichen Maßstäben an (vgl. BFH-Urteile vom 09.07.2014 und vom 25.11.2015). Sie kann sich auch aus schuldrechtlichen Bindungen der an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafter ergeben; auf eine dingliche Übertragung der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter kommt es dabei nicht. Für die – unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO – nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnungsentscheidung ist das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall entscheidend (vgl. BFH-Urteil vom 9.07.2014). Ist danach der Anteil dem Erwerber wirtschaftlich zuzurechnen, gilt dies als mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes.

Die Einräumung einer umfassenden, unwiderruflichen Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil hält der BFH demgegenüber nicht für ausreichend, um eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes anzunehmen. Dem Bevollmächtigten werde insoweit nur die bloße Möglichkeit eingeräumt, die wesentlichen Gesellschafterrechte für den Gesellschafter wahrzunehmen. Es genüge auch nicht, wenn der Bevollmächtigte zudem berechtigt ist, den Gesellschaftsanteil auf sich ohne Gegenleistung zu übertragen. Die wesentlichen Rechte des Gesellschafters, nämlich insbesondere die Stimmrechte und das Gewinnstammrecht seien damit gerade nicht auf den Bevollmächtigten übergegangen.

Betroffene Normen

§ 17 Abs. 3 GrEStG, § 1 Abs. 2a GrEStG
Streitjahr 2005

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.01.2015, 5 K 1652/11, EFG 2016, S. 1019, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 30.08.2017, II R 39/15, BStBl II 2018 Seite 786

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 25.11.2015, II R 18/14, BFHE 251, S. 492, siehe Deloitte Tax-News  
BFH, Urteil vom 09.07.2014, II R 49/12, BStBl II 2016, S. 57, siehe Deloitte Tax-News  
BFH, Urteil vom 25.09.2013, II R 2/12, BStBl II 2014, S. 268, siehe Deloitte Tax-News  
BFH, Urteil vom 16.05.2013, II R 3/11, BStBl II 2013, S. 963, siehe Deloitte Tax-News  
BFH, Urteil vom 24.04.2013, II R 17/10, BStBl II 2013, S. 833, siehe Deloitte Tax-News  
BFH, Urteil vom 16.01.2013, II R 66/11, BStBl II 2014, S. 266, siehe Deloitte Tax-News 

 

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