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06.07.2012
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BFH: Grunderwerbsteuer bei teilweisem Rückerwerb eines Kommanditanteils

Werden Anteile am Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft vom neuen Gesellschafter auf den alten Gesellschafter ganz oder teilweise innerhalb von zwei Jahren zurückübertragen, so dass ein Übergang von mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen im Ergebnis nicht mehr gegeben ist, ist die Festsetzung der GrESt wieder aufzuheben, vorausgesetzt, der Rückerwerb wurde ordnungsgemäß angezeigt. In Änderung der Rechtsprechung bedarf eine ordnungsgemäße Anzeige nicht aller grundstücksbezogener Angaben. Es genügt, wenn das Finanzamt innerhalb der Anzeigefrist durch eigene Ermittlungen oder von dritter Seite Kenntnis erlangt.

Sachverhalt

D war Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft, und übertrug seinen gesamten Kommanditanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen Versorgungsleistungen auf seinen Sohn M. Das Finanzamt setzte für den vollständigen Gesellschafterwechsel gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Nachdem die Klägerin gegen diesen Bescheid Einspruch eingelegt hatte, hoben D und M die Übertragung der Anteile durch eine „Teilrückabwicklung“ rückwirkend bezüglich eines Kommanditanteils von 6 % auf, so dass D nunmehr mit 6 % und M mit 94 % an der Klägerin beteiligt waren. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin die Aufhebung der Steuerfestsetzung gemäß § 16 Abs. 2 GrEStG begehrte, blieben ohne Erfolg.

Entscheidung

Die Revision ist begründet. Die Grunderwerbsteuerfestsetzung ist aufzuheben, da die "Teilrückabwicklung" der Übertragung des Kommanditanteils die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 GrEStG erfüllte.

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG). Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Auf M sind sämtliche Anteile am Gesellschaftsvermögen der Klägerin übergegangen. Die Änderung des Gesellschafterbestands kann auch in Teilakten über einen Zeitraum von längstens fünf Jahren erfolgen (vgl. BFH-Urteil vom 27.04.2005).

Die Steuerfestsetzung für diesen Erwerbsvorgang ist jedoch gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG aufzuheben, denn durch die Teilrückabwicklung war M nur noch mit 94 % am Gesellschaftsvermögen der Klägerin beteiligt. Darin liegt ein Rückerwerb der Gesellschaftsgrundstücke durch die "Altgesellschaft", so dass die Steuerfestsetzung für den zuvor verwirklichten Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG aufzuheben war.

Die Kommanditbeteiligung des M hat sich um 6 % auf 94 % vermindert. Darin liegt ein begünstigter Rückerwerb, weil innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer aus § 1 Abs. 2a GrEStG die Änderung des Gesellschafterbestands der Klägerin auf die nicht tatbestandsmäßige Größe von 94 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen beschränkt wurde. Der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG steht nicht entgegen, dass der Kommanditanteil nur zum Teil auf D zurückübertragen wurde. Es reicht vielmehr aus, einen Gesellschafterwechsel insoweit rückgängig zu machen, als dadurch im Ergebnis ein Übergang von weniger als 95 % erfolgt und damit die Voraussetzungen für den fiktiven Übergang der Gesellschaftsgrundstücke "auf eine neue Gesellschaft" wieder entfallen sind. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 16 GrEStG und den Steuertatbeständen des § 1 GrEStG. § 16 GrEStG ist eine am Besteuerungszweck orientierte gegenläufige Korrekturvorschrift zu § 1 GrEStG (vgl. BFH-Urteile vom 19.03.2003 und vom 25.04.2007).

Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist ausschließlich dann erfüllt, wenn 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Wird daher eine steuerbare Änderung des Gesellschafterbestands in der Weise beseitigt, dass das von dieser Vorschrift vorausgesetzte Quantum von 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen unterschritten wird, ist der Steuertatbestand nicht (mehr) erfüllt. Demgemäß setzt ein Rückerwerb auch nicht voraus, dass, wie vom Finanzgericht angenommen, die zur Tatbestandsverwirklichung führende (letzte) Anteilsübertragung insgesamt rückgängig gemacht wird. Die teilweise Beseitigung der Steuer auslösenden Änderung des Gesellschafterbestands erfordert lediglich, dass der frühere Gesellschafter einen Anteil am Gesellschaftsvermögen erwirbt.
Wird aufgrund einer Anteilsübertragung, durch die ein Altgesellschafter aus der Personengesellschaft ausscheidet, der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht und erfüllt der Anteilsrückerwerb durch diesen Altgesellschafter wiederum diesen Steuertatbestand, ist gemäß § 16 Abs. 2 GrEStG für beide Erwerbsvorgänge die Steuer nicht festzusetzen bzw. die Steuerfestsetzung aufzuheben. Dabei ist ohne Bedeutung, dass D seine Eigenschaft als Altgesellschafter endgültig verloren hatte und aufgrund des Rückerwerbs Neugesellschafter geworden ist.

Die Aufhebung der Steuerfestsetzung greift jedoch nur, wenn der Rückerwerb ordnungsgemäß angezeigt wurde (§ 16 Abs. 5 GrEStG). Unter Berücksichtigung des Übermaßverbots wird nicht zusätzlich vorausgesetzt, dass die ordnungsgemäße Anzeige auch die der betreffenden Gesellschaft gehörenden Grundstücke bezeichnet. Das Finanzamt ist auch bei insoweit fehlenden Angaben in der Lage, sich aufgrund des übrigen Anzeigeinhalts die entsprechenden Informationen aufgrund eigener Ermittlungsmaßnahmen zu verschaffen. An der davon abweichenden bisherigen Rechtsprechung, wonach eine ordnungsgemäße Anzeige i.S. des § 16 Abs. 5 GrEStG darüber hinaus auch grundstücksbezogener Angaben bedarf (BFH-Beschluss vom 20.01.2005), hält der Senat nicht mehr fest.

Enthält die Anzeige zwar keine oder nur unvollständige Angaben über die für § 1 Abs. 2a GrEStG maßgeblichen Rechtsvorgänge, erlangt aber das Finanzamt innerhalb der Anzeigefrist durch eigene Ermittlungen oder von dritter Seite vollständige Kenntnis von diesen Vorgängen, steht § 16 Abs. 5 GrEStG der Aufhebung der Steuerfestsetzung (§ 16 Abs. 2 GrEStG) nicht entgegen. Dem Sinn und (Sicherungs-)Zweck der Vorschrift ist bereits durch die rechtzeitige positive Kenntnis des Finanzamts Genüge getan.

Betroffene Norm 
§ 1 Abs. 2a GrEStG, § 16 Abs. 2 GrEStG, Streitjahr 2009

Vorinstanz
Finanzgericht Nürnberg, Entscheidung vom 18.08.2011, 4 K 1837/10

Fundstelle
BFH, Urteil vom 18.04.2012, II R 51/11

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 27.04.2005, II R 61/03, BStBl II 2005, S. 649
BFH, Urteil vom 19.03.2003, II R 12/01, BStBl II 2003, S. 770;
BFH, Urteil vom 25.04.2007, II R 18/05, BStBl II 2007, S. 726
BFH, Beschluss vom 20.01.2005, II B 52/04, BStBl II 2005, S. 492

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