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16.11.2012
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

BFH: GrESt auf künftige Bauerrichtungskosten

Ein einheitlicher Erwerbsgegenstand liegt im Grunderwerbsteuerrecht auch dann vor, wenn Grundstückskaufvertrag und Bauerrichtungsvertrag in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, sodass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält. Der BFH hält an seiner ständigen Rechtsprechung zum einheitlichen Erwerbsgegenstand fest und sieht keine unionsrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Bedenken und auch keinen Widerspruch zu der Rechtsprechung der Umsatzsteuersenate.

Sachverhalt
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 16.11.2005 ein unbebautes Grundstück. Das Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer fest. Die Kläger schlossen am 30.11.2005 einen Bauerrichtungsvertrag mit dem Bauunternehmen (T-GmbH) über die Errichtung einer Doppelhaushälfte auf dem erworbenen Grund und Boden ab. In den Erwerb des Grundstücks und die Bauplanung war das Baubetreuungsunternehmen (E-GmbH) einbezogen. Die E-GmbH hatte von den Grundstückseigentümern die Erlaubnis erhalten, das unbebaute Grundstück am Markt anzubieten. Anlässlich eines Termins am 20.10.2005 besprachen die Kläger mit der T-GmbH den auf dem Grundstück zu errichtenden Haustyp und den Kaufpreis. Die Grundstücksveräußerer lernten die Kläger erstmalig beim Notartermin kennen.

Das Finanzamt sah anhand der gesamten Umstände einen objektiv engen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem im zeitlichen Zusammenhang damit abgeschlossenen Bauerrichtungsvertrag als gegeben an. Es betrachtete das bebaute Grundstück als Gegenstand des Erwerbs und setzte für die Kläger die Grunderwerbsteuer durch geänderte Bescheide unter Berücksichtigung der Bauerrichtungskosten fest. Die nach erfolglosen Einsprüchen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzamt legte Revision ein.

Entscheidung  
Entgegen der Auffassung des FG war im Streitfall das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude Gegenstand des Erwerbsvorgangs. Das Finanzamt hat daher zu Recht die Aufwendungen der Kläger für das Gebäude in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen.

Der Gegenstand des grunderwerbsteuerlichen Erwerbsvorgangs (§ 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) wird zunächst durch das zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 29.07.2009 und 28.03.2012).

Ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen ist nicht nur gegeben, wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags gegenüber der Veräußererseite in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten werde (BFH-Urteil vom 28.03.2012). Ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag wird vielmehr auch indiziert, wenn der Veräußerer dem Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot später annimmt (vgl. BFH-Urteile vom 29.07.2009 und 28.03.2012).

Für einen objektiv sachlichen Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag ist es nicht erforderlich, dass das Angebot der Veräußererseite in einem Schriftstück und zu einem einheitlichen Gesamtpreis unterbreitet wird (vgl. BFH-Urteile vom 29.07.2009 und 28.03.2012). Entscheidend ist vielmehr, dass die Veräußererseite das Angebot zur Bebauung des Grundstücks bis zum Abschluss des Grundstückskaufvertrags abgegeben und der Erwerber das Angebot später unverändert oder lediglich vom Umfang her mit geringen Abweichungen, die den Charakter der Baumaßnahmen nicht verändern, angenommen hat (BFH-Urteil vom 28.03.2012).

Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, liegt ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen nur vor, wenn die Personen entweder personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind (vgl. BFH-Urteile vom 06.12.1989 II R 72/87 und II R 145/87 und vom 23.08.2006) oder aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (BFH-Urteil vom 13.08.2003).

Zu Unrecht geht das FG davon aus, die Rechtsprechung des BFH zum "einheitlichen Erwerbsgegenstand" finde im GrEStG keine Rechtsgrundlage, verstoße gegen die Einheit der Steuerrechtsordnung, gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot und gegen Unionsrecht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 27.12.1991, EuGH-Beschluss vom 27.11.2008, BFH-Urteile vom 27.10.1999 II R 17/99 und II R 20/99 und vom 01.03.2000). Eine Divergenz zu der Rechtsprechung des Umsatzsteuer-Senats (vgl. BFH-Urteile vom 24.01.2008 und 19.03.2009) besteht ebenfalls nicht. Umsätze, die unter das GrEStG fallen, sind zwar umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG). Die Vorschrift behandelt jedoch nur die Frage, unter welchen Voraussetzungen steuerbare Umsätze von der Umsatzsteuer befreit sind. Sie grenzt somit umsatzsteuerpflichtige von umsatzsteuerfreien Vorgängen ab, enthält jedoch kein Gesetzesgebot, ob und inwieweit in bestimmten Fällen Grunderwerbsteuer zu erheben ist. Ob ein Vorgang grunderwerbsteuerpflichtig ist, entscheidet sich allein nach den Regeln des GrEStG (BFH-Urteil vom 27.10.1999).

Im Streitfall haben die Kläger ein Angebot der Veräußererseite angenommen, dessen Gegenstand aufgrund einer bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf dem von den Klägern erworbenen Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis war. Die Kläger haben bereits im Oktober 2005 und damit vor Abschluss des Kaufvertrags die Einzelheiten für die schlüsselfertige Errichtung des zu errichtenden Haustyps auf dem noch zu erwerbenden Grundstück mit der T-GmbH besprochen. Bereits vierzehn Tage nach dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags haben die Kläger den Bauerrichtungsvertrag mit der T-GmbH abgeschlossen. Der zeitliche Zusammenhang lässt den Schluss zu, dass die Planungen für die Bebauung bereits im Zeitpunkt des Kaufvertrags im Wesentlichen abgeschlossen waren. Die Grundstückseigentümer und das Bauunternehmen haben durch ein abgestimmtes Verhalten auf den gemeinsamen Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch des Bauerrichtungsvertrags hingewirkt. Dieses gemeinschaftliche Angebot haben die Kläger angenommen.

Betroffene Norm
§ 8 Abs. 1 GrEStG, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
Streitjahr 2005

Vorinstanz
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26.08.2011, 7 K 192/09, 7 K 193/09, EFG 2012, S. 730, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle  
BFH, Urteil vom 27.09.2012, II R 7/12, BStBl II 2013, S. 86 

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 29.07.2009, II R 58/07, BFH/NV 2010, S. 63
BFH, Urteil vom 28.03.2012, II R 57/10, BFH/NV 2012, S. 1549, siehe Deloitte Tax-News
BVerfG, Beschluss vom 27.12.1991, 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, S. 212
EuGH, Beschluss vom 27.11.2008, C-156/08, Vollkommer, Slg. 2008, I-165
BFH, Urteil vom 27.10.1999, II R 17/99, BStBl II 2000, S. 34
BFH, Urteil vom 27.10.1999, II R 20/99, BFH/NV 2000, S. 349
BFH, Urteil vom 01.03.2000, II R 37/99, HFR 2000, S. 732
BFH, Urteil vom 24.01.2008, V R 42/05, BStBl II 2008, S. 697
BFH, Urteil vom 19.03.2009, V R 50/07, BStBl II 2010, S. 78
BFH, Urteil vom 06.12.1989, II R 72/87, BFH/NV 1991, S. 344
BFH, Urteil vom 06.12.1989, II R 145/87, BFH/NV 1991, S. 345
BFH, Urteil vom 23.08.2006, II R 42/04, BFH/NV 2007, S. 760
BFH, Urteil vom 13.08.2003, II R 52/01, BFH/NV 2004, S. 663

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