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20.04.2012
Erbschaftsteuer

BFH: Feststellungslast einer freigebigen Zuwendung bei Zahlungen auf ein Oder-Konto

Die Einzahlung eines Ehegatten auf ein sog. Oder-Konto der Eheleute kann zu einer der Schenkungsteuer unterliegenden Zuwendung an den anderen Ehegatten führen. Die Vereinbarungen der Eheleute sowie die Verwendung des Guthabens sind hierfür maßgebend. Ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der nicht einzahlende Ehegatte tatsächlich und rechtlich frei zur Hälfte über das eingezahlte Guthaben verfügen kann, muss das Finanzamt die Bereicherung nachweisen. Gibt es objektive Anhaltspunkte dafür, dass beide Ehegatten zu gleichen Anteilen am Kontoguthaben beteiligt sind, trägt der zur Schenkungsteuer herangezogene Ehegatte die Feststellungslast dafür, dass im Innenverhältnis nur der einzahlende Ehegatte berechtigt sein soll.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) unterhielt zusammen mit ihrem Ehemann (E) bei der D Bank ein Direkt-Depot mit Extra-Konto, über das die Ehegatten jeweils allein und unbeschränkt verfügen konnten (sog. Oder-Depot). Auf das Extra-Konto bei der D Bank zahlte E in den Jahren 2004 bis 2007 Beträge ein, die aus der Veräußerung seiner Beteiligung vom 05.07.2004 sowie aus dazu vereinbarten Stundungszinsen stammten. Das Finanzamt sah die Einzahlungen auf dem Extra-Konto bei der D Bank in Höhe von jeweils 50 % als freigebige Zuwendungen des E an die Klägerin an und setzte mit Bescheiden gegen die Klägerin Schenkungsteuer fest. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Entscheidung

Aus den tatsächlichen Feststellungen des FG sind gewichtige objektive Anhaltspunkte für eine Mitberechtigung der Klägerin an dem von E eingezahlten Guthaben nicht erkennbar. Das FG hat die noch fehlenden Feststellungen unter Mitwirkung der Klägerin nachzuholen.

Eine Zahlung eines Ehegatten auf ein Gemeinschaftskonto (sog. Oder-Konto) beider Ehegatten kann eine Zuwendung an den anderen Ehegatten sein (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Eine Bereicherung des anderen Ehegatten liegt jedoch nur vor, wenn und soweit dieser im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei über das eingezahlte Guthaben verfügen kann und die Zuwendung unentgeltlich ist. Bei einem Oder-Konto sind die Ehegatten grundsätzlich Gesamtgläubiger (§ 428 BGB), mit der Folge, dass sie zu gleichen Anteilen berechtigt sind, soweit nicht ein anderes bestimmt ist (§ 430 BGB). Fehlen schriftliche oder mündliche Vereinbarungen der Eheleute über das Innenverhältnis, ist dieses vornehmlich aus dem Verhalten der Eheleute zu erschließen. Maßgeblich ist, wie die Eheleute das Oder-Konto tatsächlich handhaben und hier insbesondere, wie sie die Mittel verwenden, die sie nicht für die laufende Lebensführung benötigen (vgl. BFH-Urteil vom 22.08.2007). Je häufiger der nicht einzahlende Ehegatte auf das Guthaben des Oder-Kontos zugreift, um eigenes Vermögen zu schaffen, umso stärker spricht sein Verhalten dafür, dass er wie der einzahlende Ehegatte zu gleichen Teilen Berechtigter ist. Verwendet der nicht einzahlende Ehegatte dagegen nur im Einzelfall einen Betrag zum Erwerb eigenen Vermögens, kann das darauf hindeuten, dass sich die Zuwendung des einzahlenden Ehegatten an den anderen Ehegatten auf diesen Betrag beschränkt und nicht einen hälftigen Anteil am gesamten Guthaben auf dem Oder-Konto betrifft. Für die Entscheidung der Frage, ob der nicht einzahlende Ehegatte über den auf ihn entfallenden Anteil am Guthaben auf dem Oder-Konto im Innenverhältnis zum anderen Ehegatten frei verfügen kann, ist letztlich die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls maßgebend.

Lässt sich trotz Mitwirkung des zur Schenkungsteuer herangezogenen Ehegatten nicht aufklären, ob ein von der Auslegungsregel des § 430 BGB abweichendes Innenverhältnis zwischen den Eheleuten in Bezug auf ein Gemeinschaftskonto vorliegt, weil die Eheleute hierzu - wie dies regelmäßig der Fall sein wird - weder eine schriftliche noch eine mündliche Vereinbarung getroffen haben und sich aus der Handhabung des Kontos entweder keine oder sowohl Anhaltspunkte für als auch gegen eine Alleinberechtigung eines Ehegatten ergeben, sind die Grundsätze zur Feststellungslast anzuwenden. Das Finanzamt trägt die Feststellungslast für die Tatsachen, die zur Annahme einer freigebigen Zuwendung erforderlich sind, also dafür, dass der nicht einzahlende Ehegatte über das auf den Einzahlungen des anderen Ehegatten beruhende Guthaben auf dem Oder-Konto zur Hälfte tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann und damit durch die Zuwendung des hälftigen Guthabens bereichert ist, sowie dass die Zuwendung objektiv unentgeltlich ist. Gibt es hinreichend deutliche objektive Anhaltspunkte dafür, dass beide Ehegatten zu gleichen Anteilen am Kontoguthaben beteiligt sind, trägt der zur Schenkungsteuer herangezogene Ehegatte die Feststellungslast dafür, dass im Innenverhältnis nur der einzahlende Ehegatte berechtigt sein soll. Allein eine Einzahlung auf dem Oder-Konto durch einen Ehegatten ist aber kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass der nicht einzahlende Ehegatte zur Hälfte an dem eingezahlten Betrag beteiligt sein soll (vgl. BFH-Urteil vom 07.10.1998).

Die vom FG bisher festgestellten Tatsachen erlauben nicht den Schluss, dass die Klägerin tatsächlich und rechtlich frei über das hälftige Kontoguthaben verfügen konnte und sie damit durch die Einzahlungen des E auf dem Extra-Konto bei der D Bank bereichert ist. Das FG wird die noch fehlenden Feststellungen unter Mitwirkung der Klägerin nachzuholen haben. Lässt sich der Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismittel nicht aufklären und ergeben sich nach einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen keine hinreichend deutlichen und gewichtigen Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zur Hälfte an dem gesamten von E eingezahlten Kontoguthaben beteiligt war, trägt das Finanzamt die Feststellungslast für alle Tatsachen, die zur Annahme der freigebigen Zuwendungen erforderlich sind.

Betroffene Norm

§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

Vorinstanz

Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 25.03.2010, 4 K 654/2008, EFG 2011, S. 347, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 23.11.2011, II R 33/10, BStBl II 2012, S. 473

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 22.08.2007, II R 33/06, BStBl II 2008, S. 28
BFH, Urteil vom 07.10.1998, II R 30/97, BFH/NV 1999, S. 618

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