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11.03.2013
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

BFH: Verfassungsmäßigkeit der 1%-Regelung

Die 1%-Regelung mit Ansatz des Bruttoneuwagenlistenpreises ist verfassungsrechtlich unbedenklich, da der Steuerpflichtige die Wahl hat, den vom Arbeitgeber zugewandten Nutzungsvorteil auch nach der so genannten Fahrtenbuchmethode zu ermitteln und zu bewerten.

Sachverhalt

Streitig ist, ob die Pauschalbewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Firmenwagens nach der 1%-Regelung insoweit noch verfassungsgemäß ist, als die Nutzungsentnahme nach dem inländischen Bruttolistenpreis bei der Erstzulassung bemessen wird.

Dem Kläger wurde im Streitjahr 2009 von seinem Arbeitgeber ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei um ein Gebrauchtfahrzeug (Erstzulassung 27.08.2004, Kilometer-Stand 58.000), das der Arbeitgeber geleast hatte. Der PKW hatte zu Beginn des Leasing-Zeitraums einen Gebrauchtwagenwert von brutto 31.990 Euro. Der Bruttolistenpreis des Fahrzeugs betrug im Zeitpunkt der Erstzulassung 81.400 Euro. Ein Fahrtenbuch führte der Kläger nicht. Bei der Berechnung des geldwerten Vorteils für die private Nutzung des Kfz und für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf Basis der 1%-Regelung ist der Arbeitgeber vom Bruttolisten-Neupreis ausgegangen. Gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 legte der Kläger Einspruch ein und beantragte, bei der Berechnung des geldwerten Vorteils den Gebrauchtwagenwert zugrunde zu legen. Der Einspruch hatte insoweit jedoch ebenso wenig Erfolg wie die Klage vor dem Niedersächsischen FG.

Entscheidung

Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Vorteil des Klägers aus der Überlassung des Dienstwagens auch zu privaten Zwecken im Streitfall nach der 1%-Regelung (§ 8 Abs. 2 S. 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG) zu bewerten ist. Gegen die 1%-Regelung mit Ansatz des Bruttoneuwagenlistenpreises als Bemessungsgrundlage bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht kommt daher nicht in Betracht.

Es entspricht mittlerweile ständiger BFH-Rechtsprechung, dass die Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zu Lohnzufluss führt (BFH-Urteil vom 06.10.2011). Steht der Vorteil dem Grunde nach fest, ist dieser entweder mit der 1%-Regelung oder mit der Fahrtenbuchmethode zu bewerten. Wird ein Fahrtenbuch, wie im Streitfall, nicht geführt, ist der Vorteil mit der 1%-Regelung zu bewerten.

Nach der 1%-Regelung ist dieser Nutzungsvorteil für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Die 1%-Regelung ist insoweit eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung (ständige Rechtsprechung des BFH, Urteile vom 13.02.2003 und vom 07.11.2006). Im Ergebnis entspricht der Ansatz des Listenpreises statt der tatsächlichen Anschaffungskosten dem Erfordernis, die Zuwendung des Arbeitgebers nach dem Nutzungsvorteil zu bemessen, der dem steuerpflichtigen Arbeitnehmer dadurch zukommt (so schon BFH-Urteil vom 25.05.1992).

Die Bewertung des Vorteils mittels der 1%-Regelung ist mit dem Ansatz eines Nutzungsvorteils in Höhe von 1 % des Bruttolistenpreises je Monat zwar eine nur grob typisierende Regelung. Allerdings normiert die Regelung keine zwingende und unwiderlegbare Typisierung, sondern tritt nur alternativ zur Fahrtenbuchmethode hinzu; diese Fahrtenbuchmethode bewertet den vom Arbeitgeber zugewandten Nutzungsvorteil indessen nach Maßgabe der konkret entstandenen Kosten (§ 8 Abs. 2 S. 4 EStG). Insbesondere im Hinblick auf dieses Wahlrecht ("Escape-Klausel") beurteilt die bisherige Rechtsprechung des BFH die Typisierungsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG als verfassungsrechtlich unbedenklich (BFH-Urteil vom 24.02.2000).

Der BFH folgt dieser Rechtsprechung. Denn wenn der Steuerpflichtige statt der Anwendung einer typisierenden Regelung auch den Nachweis des tatsächlichen Sachverhalts und eine daran anknüpfende Besteuerung wählen kann, ist er durch eine ihm lediglich zusätzlich zur Wahl gestellte Typisierung in einer verfassungsrechtlich erheblichen Position auch dann nicht betroffen, wenn sie im Vergleich zur anderen Besteuerungsform im konkreten Fall nachteilig wirkt. Angesichts dessen können sich die Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kraftfahrzeughandel beim Neuwagenverkauf mittlerweile regelmäßig Rabatte einräume, also der Bruttolistenneupreis nicht einmal mehr typisierend den Verkaufspreis für Neufahrzeuge darstelle. Denn der Gesetzgeber unterliegt entgegen der Auffassung der Kläger gegenwärtig diesbezüglich keinem Anpassungszwang. Die vom Gesetzgeber zu Grunde gelegte Bemessungsgrundlage des Bruttolistenneupreises bezweckt nicht, die tatsächlichen Neuanschaffungskosten des Fahrzeugs und erst recht nicht dessen gegenwärtigen Wert im Zeitpunkt der Überlassung möglichst realitätsgerecht abzubilden. Der Bruttolistenneupreis erweist sich vielmehr als generalisierende Bemessungsgrundlage, die aus typisierten Neuanschaffungskosten den Nutzungsvorteil insgesamt zu gewinnen sucht, der indessen ungleich mehr umfasst als die Überlassung des genutzten Fahrzeugs selbst (wie z.B. die Übernahme damit verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur– und Wartungskosten sowie Treibstoffkosten).

Die Rechtsprechung des BFH, nach der die unverbindliche Preisempfehlung keine geeignete Grundlage zur Bemessung des lohnsteuerrechtlichen Vorteils eines Mitarbeiterrabatts im Rahmen von Jahreswagenkäufen darstellt, ist nicht übertragbar (BFH-Urteil vom 17.06.2009). Denn in diesen Fällen war der aus dem Mitarbeiterrabatt zufließende Vorteil nicht auf Grundlage einer grob typisierenden Regelung, sondern nach Maßgabe des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts konkret zu ermitteln und zu besteuern. Diese Möglichkeit hat der Arbeitnehmer, wie dargelegt, auch im Rahmen der Nutzungsüberlassung eines Dienstwagens, wenn er den Vorteil nach der Fahrtenbuchmethode ermittelt. In diesem Fall gehen dann in die Bemessungsgrundlage neben sämtlichen übrigen Kraftfahrzeugkosten auch die konkreten Anschaffungskosten statt eines typisierenden Bruttolistenneupreises ein.

Betroffene Norm  
§ 8 Abs. 2 S. 2 bis 5 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG
Streitjahr 2009 

Vorinstanz
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 14.09.2011, 9 K 394/10, EFG 2012, S. 396, siehe hierzu Deloitte Tax News

Fundstelle
BFH, Urteil vom 13.12.2012, VI R 51//11

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 06.10.2011, VI R 56/10, BStBl II 2012, S. 362; siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 13.02.2003, X R 23/01, BStBl II 2003, S. 472
BFH, Urteil vom 07.11.2006, VI R 19/05, BStBl II 2007, S. 116
BFH, Urteil vom 25.05.1992, VI R 146/88, BStBl II 1992, S. 700
BFH, Urteil vom 24.02.2000, III R 59/98, BStBl II 2000, S. 273
BFH, Urteil vom 17.06.2009, VI R 18/07, BStBl II 2010, S. 67; siehe Deloitte Tax News

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