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09.06.2017
Steuerrecht

FG Münster: Progressionsvorbehalt von ausländischen Kapitaleinkünften bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG

Mit Urteil vom 07.12.2016 hat das FG Münster entschieden, dass ausländische Kapitaleinkünfte eines nach § 1 Abs. 3 EStG unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Die Revision zum Bundesfinanzhof ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Sachverhalt

Die Kläger sind verheiratet und hatten in den Streitjahren 2011 bis 2013 einen Wohnsitz in Österreich. Aus Deutschland bezogen sie eine Leibrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Zudem bezogen sie Einkünfte aus Kapitalvermögen in Österreich. In Deutschland wurden die Ehegatten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Die Veranlagung als unbeschränkt Steuerpflichtige erfolgte auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG in Verbindung mit § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG.

Das Finanzamt bezog bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die österreichischen Kapitalerträge in den Progressionsvorbehalt ein. Die Kläger vertraten die Auffassung, dass die Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer unterliegen, nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegen könnten. Das Finanzamt ging hingegen davon aus, dass die Kläger bei einem rein inländischen Sachverhalt aufgrund des niedrigen persönlichen Steuersatzes einen Antrag auf Günstigerprüfung gestellt hätten, so dass die Kapitalerträge nach der tariflichen Einkommensteuer zu besteuern gewesen wären und folglich in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen sind.

Entscheidung

Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg. Das FG Münster entschied, dass die ausländischen Kapitalerträge nicht dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen sind.

Zum einen handelt es sich bei den österreichischen Kapitaleinkünften nicht um solche Einkünfte, die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen steuerfrei und daher im Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen sind (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG). Im zu entscheidenden Fall war das DBA Österreich auf die österreichischen Kapitaleinkünfte nicht anwendbar, da die Kläger in Österreich ansässig waren und Einkünfte aus Österreich bezogen.

Ebenso scheidet eine Anwendung von § 32b Abs. 1 Nr. 5 EStG aus. Die Vorschrift sieht vor, dass die Einkünfte, die bei der Anwendung von § 1 Abs. 3 EStG bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens unberücksichtigt bleiben, in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen sind. Nach § 1 Abs. 3 EStG haben Steuerpflichtige die Möglichkeit, auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt zu werden, soweit sie inländische Einkünfte beziehen und geltende Einkunftsgrenzen eingehalten werden. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich im zu entscheidenden Fall nur auf die Leibrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Nach dem reinen Wortlaut handelt es sich bei den österreichischen Kapitaleinkünften um eben solche Einkünfte, die nicht von der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG erfasst werden. Allerdings sind laut Entscheidung des Finanzgerichts die Kapitaleinkünfte, die der Abgeltungsteuer unterliegen, nicht zu berücksichtigen. Dies folge aus der gesetzlichen Anordnung des § 2 Abs. 5b EStG, wonach Kapitaleinkünfte mit dem für sie geltenden Steuersatz von 25 % einem besonderen Besteuerungsregime unterliegen und folglich nicht in den gesetzlich definierten Begriff „Einkünfte“ einzubeziehen sind.

Hierfür spricht auch, dass der Progressionsvorbehalt an die tarifliche Einkommensteuer anknüpft, die für Kapitalerträge gerade nicht gilt. Bei Auslandssachverhalten ist daher laut Entscheidung des Finanzgerichts zu prüfen, ob die österreichischen Kapitalerträge, wären sie im Inland steuerpflichtig, dem Abgeltungssteuersatz unterlägen. Im zu entscheidenden Fall wäre der Abgeltungssteuersatz anwendbar gewesen, da ein Ausnahmetatbestand nicht eingreift. Weiterhin hat das Finanzamt zu Unrecht angenommen, dass die Kläger von dem Wahlrecht auf Günstigerprüfung Gebrauch gemacht hätten. Im Falle der Günstigerprüfung ist auf Kapitalerträge der tarifliche Steuersatz anzuwenden, sofern dieser niedriger als 25 % ist. Eine Fiktion ist allerdings nicht zulänglich, da die Ausübung des Wahlrechts einen expliziten Antrag erfordert.

Schließlich hat der Kläger auch keinen Progressionsvorteil erlangt, da die österreichischen Kapitaleinkünfte, wenn sie in Deutschland steuerbar gewesen wären, nicht dem progressiven Steuersatz unterlegen hätten. Dies entspricht im Ergebnis dem Sinn und Zweck des § 32b EStG.

Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Betroffene Norm

§ 1 Abs. 3 EStG
§ 32b Abs. 1 Nr. 3, Nr. 5 EStG
§ 2 Abs. 5b EStG i. V. m. § 32d EStG, § 43 Abs. 5 EStG

Anmerkungen

Anzumerken ist, dass bei der Ermittlung der Einkunftsgrenzen für die Anwendung des § 1 Abs. 3 EStG auch Kapitalerträge einzubeziehen sind, selbst wenn sie der Abgeltungssteuer unterliegen. Dies hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 12.08.2015 (I R 18/14) bestätigt.

Fundstelle

Finanzgericht Münster, Urteil vom 07.12.2016, 11 K 2115/15.

Weiterführende Literatur

BFH, Urteil vom 12.08.2015, I R 18/14, BStBl II 2016, S. 201.

Ihre Ansprechpartner

Peter Mosbach
Of Council

pmosbach@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-2309

Christian Röpke
Director

croepke@deloitte.de
Tel.: 040 32080-4901

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