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28.02.2017
Steuerrecht

FG Berlin-Brandenburg: Einschränkung des Sonderausgabenabzuges bei fehlender Einwilligung in die Übermittlung der Versicherungsdaten verfassungskonform

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige leistete als Beamter Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Der elektronischen Übermittlung der Versicherungsdaten an das Finanzamt hatte er dabei widersprochen. Als Nachweis über die geleisteten Beiträge legte der Steuerpflichtige dem Finanzamt eine Bestätigung des Versicherungsanbieters in Papierform vor. Das Finanzamt konnte, entsprechend der Vorschriften des § 10 Abs. 2 S. 3 EStG, die Beiträge zur Basisabsicherung des Steuerpflichtigen nicht unbeschränkt nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG abziehen. Anstelle dessen wurden sie als Beiträge zu sonstigen Vorsorgeaufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG bis zum Höchstbetrag berücksichtigt.

Der Steuerpflichtige macht mit seiner Klage verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 10 Abs. 2 S. 3 EStG geltend. Die Vorschrift verstoße gegen das in Art. 2 GG enthaltene Recht auf informationelle Selbstbestimmung, da der Steuerpflichtige zum Erlangen des Sonderausgabenabzugs faktisch zur Einwilligung in die Datenübermittlung gezwungen sei. Außerdem verstoße die Vorschrift gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG, da der Sonderausgabenabzug nicht auch bei der Vorlage einer Papierbescheinigung zuzulassen ist.

Entscheidung

Die Klage des Steuerpflichtigen ist unbegründet. Es bestehen nach Auffassung des Finanzgerichtes keine Bedenken, dass § 10 Abs. 2 S. 3 EStG gegen Verfassungsrecht verstößt. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erfolgt demnach nicht.

Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. § 10 Abs. 2 S. 3 EStG regelt lediglich die Rechtsfolge der fehlenden Einwilligung. Die tatsächliche Datenübermittlung hängt jedoch weiterhin von der Zustimmung des Steuerpflichtigen ab und kann von staatlicher Seite nicht erzwungen werden. Im vorliegenden Fall ist der Steuerpflichtige ebenfalls nicht verpflichtet, mehr preiszugeben, als er freiwillig tut, da der Steuerpflichtige die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung dem Finanzamt in seiner Steuererklärung bereits selbst mitgeteilt hat.

Sollte man trotz allem in der Übermittlung der Versicherungsdaten an die Finanzbehörden einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sehen, wäre dieser Eingriff nach Auffassung des Gerichtes gerechtfertigt. Zweck der einheitlichen Datenübermittlung ist es, ein gleichmäßiges und gesetzmäßiges Besteuerungsverfahren sicherzustellen. Die Einhaltung dieser Grundsätze stellt ein öffentliches Interesse von herausgehobener Bedeutung dar, die einen Grundrechtseingriff rechtfertigen. Ferner handelt es sich bei Versicherungsdaten nicht um besonders sensible Daten, so dass ein Grundrechtseingriff lediglich auf niedrigster Stufe stattfinden würde.

Das Finanzgericht führt außerdem noch eine Grundsatzentscheidung des BFH (18.01.2012 II R 49/10) auf. Demnach verstoßen die Zuteilung der Steueridentifikationsnummer sowie die Datenspeicherung nicht gegen Verfassungsrecht. Da vom BFH in diesem Urteil die Speicherung der übermittelten Versicherungsdaten als ein Zweck der Steueridentifikationsnummer aufgeführt wurde, kann man die Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 2 S. 3 EStG ebenfalls grundsätzlich bejahen.

Der Verweis des Steuerpflichtigen auf die fehlende Datensicherheit ist ebenfalls nicht schlüssig. Da der Steuerpflichtige die Steuererklärung elektronisch an das Finanzamt übermittelt hat, nahm er die immer vorhandene Gefahr eines Angriffs auf die Datennetze offensichtlich in Kauf.

Aus Sicht des Finanzgerichts liegt auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz vor, der in der Versagung des Sonderausgabenabzuges nach Vorlage einer Bescheinigung in Papierform liegen soll. Der Zweck der elektronischen Übermittlung liegt insbesondere in der effektiveren und gleichmäßigeren Gestaltung des Besteuerungsverfahrens. Alternative Nachweismöglichkeiten würden diesem Zweck widersprechen und sind demnach nicht zuzulassen.

Betroffene Norm

§ 10 Abs. 1 Nr. 3 und 3a
§ 10 Abs. 2 S.2 Nr. 2 EStG
§ 10 Abs. 2 S.3 EStG
Art. 2 GG, Art. 3 GG

Anmerkungen

Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Obwohl wir der Ansicht des Finanzgerichts bezüglich des Eingriffes in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 GG folgen, stellt die Versagung des Sonderausgabenabzugs trotz Vorlage einer Beitragsbescheinigung des Versicherungsanbieters unseres Erachtens einen Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip dar. Die Rechtfertigung dieses Verstoßes mit der effektiveren Gestaltung des Besteuerungsverfahrens ist verfassungsrechtlich bedenklich. Da die Zustimmung zur Datenübermittlung bei der Mehrheit der Steuerpflichtigen ohnehin vorliegt, wird die Effektivität des Besteuerungsverfahrens durch das Zulassen anderer Nachweismöglichkeiten in Einzelfällen nicht nachhaltig beeinflusst. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht hätte demnach erfolgen müssen.

Zur Vermeidung eines umfangreichen Einspruchs- und Klageverfahrens empfehlen wir trotz allem eine Zustimmung in die automatische Übermittlung der Krankenversicherungsdaten.

Fundstelle

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.11.2016, 13 K 13119/15.

Ihre Ansprechpartner

Peter Mosbach
Partner

pmosbach@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-2309

Christian Röpke
Director

croepke@deloitte.de
Tel.: 040 32080-4901

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