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08.06.2016
Sozialversicherung

FG München: Prüfung der Rückbegründung des Wohnsitzes bei Familienangehörigen

Der BFH kommt entgegen der Auffassung des FG zu dem Ergebnis, dass der Kläger im Streitzeitraum einen Wohnsitz im Inland hatte, da er diesen vor seiner Abordnung ins Ausland bereits begründet und auch während seiner Abordnungszeit nicht wieder aufgegeben hatte.

BFH, Urteil vom 24.07.2018, I R 58/16
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FG München (Vorinstanz):

Das Finanzgericht München hat mit Urteil vom 29.07.2015 (1 K 1016/14) entschieden, dass die Rückbegründung des Familienwohnsitzes durch einzelne Familienangehörige nicht zwingend die Rückbegründung für die anderen Familienmitglieder zur Folge hat, sofern der bisherige Familienwohnsitz aufgegeben wurde.

Im konkreten Fall geht es um die Frage, ob eine dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehende Wohnung in einem Umfang tatsächlich genutzt wird, der über einen Aufenthalt zu reinen Besuchszwecken hinausgeht.

Sachverhalt

Der Kläger wurde von seinem Arbeitgeber für drei Jahre ins Ausland abgeordnet und durch seine Ehefrau (Klägerin) sowie den beiden minderjährigen Kindern begleitet. Ferner wurde ein größerer Teil des beweglichen Hausrats überführt, wodurch sich der Lebensmittelpunkt zweifelsfrei ins Abordnungsland verlagerte.

In der Absicht eine steuerliche Wohnsitzaufgabe herbeizuführen, gaben die Kläger vor, dass zuvor bewohnte Einfamilienhaus in München vollständig zu vermieten. Tatsächlich wurde jedoch nur zeitweise ein Gästezimmer vermietet. Im Übrigen stand das Haus den Klägern während des gesamten Abordnungszeitraumes zur eigenen Nutzung zur Verfügung und wurde auch während einzelnen Aufenthalten in Deutschland genutzt. Während sich die Klägerin im Wegzugsjahr rund 30 Tage und in den beiden folgenden Jahren rund 79 und 111 Tage im Einfamilienhaus aufhielt, verweilte der Kläger im Wegzugsjahr gar nicht und in den beiden folgenden Jahren an rund 22 und 26 Tagen im Münchner Haus.

Streitig war, ob die Kläger während der Abordnungszeit einen steuerlichen Wohnsitz im Inland innehatten. Ferner stellte sich die Frage, ob für die Familie eine einheitliche Beurteilung oder die Prüfung für jeden einzelnen Familienangehörigen getrennt vorzunehmen ist.

Entscheidung

Das Finanzgericht München hat beschlossen, dass die Klage im Wesentlichen begründet ist. Die Klägerin war zwar aufgrund eines steuerlichen Wohnsitzes im Inland unbeschränkt steuerpflichtig. Dagegen konnte beim Kläger kein Wohnsitz und somit auch keine unbeschränkte Steuerpflicht angenommen werden.

Nach § 8 AO hat ein Steuerpflichtiger dort einen Wohnsitz, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Hieraus ergeben sich insbesondere zwei objektive Tatbestandsvoraussetzungen: (1) Zum einen muss über eine Wohnung mit zum Wohnen geeigneten Räumlichkeiten verfügt werden können. (2) Zum anderen muss die Nutzung über ein gelegentliches Verweilen während unregelmäßiger, aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken hinausgehen.

Trotz der Verlagerung des Familienwohnsitzes mit Beginn der Abordnung hatte die Klägerin während der Streitjahre einen steuerlichen Wohnsitz im Inland. Dies ergibt sich aus den objektiven Umständen, dass das zuvor bewohnte Einfamilienhaus weiterhin zur Nutzung zur Verfügung stand und auch tatsächliche durch die Klägerin in einer über reine Besuchszwecke hinausgehende Intensität genutzt wurde. Im Ergebnis unterlag die Klägerin während der Abordnungszeit weiterhin der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht im Sinne des § 1 Abs. 1 EStG.

Aufgrund der Verlagerung des Familienwohnsitzes ins Abordnungsland kann der steuerliche Wohnsitz der Klägerin nicht dem Kläger zugerechnet werden. Vielmehr ist die Beurteilung für den Kläger nach den zuvor dargestellten Grundsätzen gesondert vorgenommen. Durch die geringen Aufenthaltstage kam das Finanzgericht dabei zum Ergebnis, dass das Einfamilienhaus in München durch den Kläger lediglich zu Besuchszwecken dient. Ein steuerlicher Wohnsitz kann daher beim Kläger während der Abordnung nicht angenommen werden, weshalb der Kläger im Abordnungszeitraum lediglich der beschränkten Steuerpflicht im Sinne der §§ 1 Abs. 4, § 49 EStG unterliegt.

Im Ergebnis sind die Einkommensteuerbescheide für die Transferjahre 2008 und 2011 zu ändern. Zudem sind die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 und 2010 aufzuheben und eine Einzelveranlagung des Klägers als beschränkt Steuerpflichtiger vorzunehmen. 

Betroffene Norm

§ 1 Abs. 1 und 4 EStG, § 8 AO

Streitjahre 2008 bis 2011

Anmerkungen

Die Entscheidung betrifft einen typischen Auslandsabordnungsfall und gilt daher auch auf für ähnliche Fälle in denen die bisherige Wohnung im Inland weiterhin zur Nutzung zur Verfügung steht. Verlagert sich der Familienwohnsitz ins Abordnungsland ist demnach für jeden Familienangehörigen getrennt zu prüfen, ob weiterhin ein steuerlicher Wohnsitz im Inland vorliegt.

Besteht die Absicht, mit einer Abordnung ins Ausland den steuerlichen Wohnsitz um Inland aufzugeben, empfiehlt sich die Vollaufgabe der bisherigen Wohnung (z.B. durch Vollvermietung).
 

Fundstellen

BFH, Urteil vom 24.07.2018, I R 58/16

Finanzgericht München, Urteil vom 29.07.2015 – 1 K 1016/14

Ihre Ansprechpartner

Peter Mosbach

pmosbach@deloitte.de
Tel.:

Christian Röpke

croepke@deloitte.de
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